Wellentraum
»Zehen mit Schwimmhäuten.«
Ah.
»Der Beweis«, erwiderte sie.
»Ja.«
Margred kämpfte ihre Enttäuschung nieder. Er war also noch immer nicht bereit, ihre Geschichte einfach zu glauben. Aber wenigstens wollte er zuhören.
»›Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag‹«, zitierte sie. Sie spürte seine Überraschung und lächelte. »Sherlock Holmes. Ich habe deine Bücher gelesen.«
»Gut für dich.« Er rieb sich den Nacken. »Diese … Frau, diese Selkie – was hat sie hergeführt?«
Die Erinnerung an Gwyneth suchte Margred wieder heim, ihre spöttische Stimme, der gierige, spekulative Ausdruck in ihren Augen …
»Wie ich höre, hast du selbst erfolgreich gejagt. In … Maine, stimmt’s?«
»Die Strömung«, antwortete sie.
»Blödsinn.«
Ihr Herz geriet ins Stolpern. »Es ist wahr.« Zum Teil jedenfalls. Entweder hatte Gwyneth nicht genug von Politik verstanden, um Margreds missliche Lage zu erkennen, oder es hatte die Selkie, getrieben von ihren Gelüsten, einfach nicht gekümmert. »Eure Insel liegt zwischen der arktischen Strömung und dem Golfstrom wie … wie ein Hotel an einer Kreuzung. Ein praktischer Rastplatz für alle, die über den Ozean kommen.«
Calebs Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Und deine Freundin hat sich genau diesen Moment ausgesucht und ist um die halbe Welt geschwommen, um sich hier umbringen zu lassen.«
Dass er ihr glaubte, war eine neue und kostbare Erkenntnis. Das wollte sie nicht durch Lügen aufs Spiel setzen. Aber sie würde ihm auch nicht die Verantwortung für Gwyneths Liebeslust aufbürden.
»Sie war auf der Jagd.«
»Für ihr Essen hat sie einen weiten Weg auf sich genommen.«
Margred wand sich. Ahnte er den wahren Grund, warum Selkies nachts an Land kamen? Dachte er an ihr erstes Treffen am Strand?
»Gwyneth … liebte abwechslungsreiche Kost.«
»Dieser Snack ist sie höllisch teuer zu stehen gekommen«, gab Caleb zurück. »Und es ist meine Schuld.«
Ihr blieb fast das Herz stehen. »Du hast doch gar nichts getan.«
»Genau. Ich hätte dir glauben sollen.«
»Ich meinte: Es gab nichts, was du hättest tun können«, erklärte Margred. »Nicht bei einer Sache zwischen einer Selkie und einem Dämon. Das ist nicht dein Kampf.«
Er biss die Zähne zusammen. »Es ist meine Aufgabe, diese Insel zu schützen.«
Angst und Frust ließen ihre Stimme scharf klingen. »Diese Leute, die beiden, die hierhergekommen sind, scheinen zu denken, dass es jetzt ihre ist.«
Caleb lächelte grimmig. »Sie können den Mörder nicht schnappen, wenn sie nicht wissen, wonach sie suchen müssen. Evelyn Hall mag tough aussehen, aber sie ist keine Buffy. Sie haben keine Ahnung, womit sie es zu tun haben.«
Wer war Buffy?
»Du auch nicht«, erwiderte Margred.
»Dann sag es mir.«
Seine Bereitschaft, ihr zu glauben, wühlte sie auf. Ihre Angst um ihn. »Dämonen sind Elementargeister. Das Feuer gibt ihnen ihre Gestalt. Du kannst sie nicht mit deiner Waffe erschießen oder … in eine Zelle sperren.«
»Das Ding hat eine Art Körper. Ich habe es in der Nacht, in der du überfallen wurdest, am Strand gesehen. Und ich habe deine Freundin gesehen. Kein Feuer, kein Geist hat ihr das angetan. Sie ist nicht verbrannt. Sie wurde gefoltert.«
Margred zuckte zusammen. »Der Dämon könnte menschliche Gestalt angenommen habe. Vorübergehend.«
»Du meinst: wie du.«
Ablehnend schüttelte sie den Kopf. »Nein. Erde und Wasser – die Sidhe und die Mer – haben ihre eigene Masse und Form und ihr eigenes Gewicht. Die anderen Elementargeister … Luft besitzt zumindest ein wenig Materie. Aber Feuer kann sich nur Substanz borgen.«
Calebs Blick wurde scharf. »Dieses Ding, dieser Dämon hat sich also einen Körper geborgt?«
»Einen menschlichen Wirt, ja.«
»Gut. Wenn er jetzt ein Mensch ist, werde ich ihn finden.«
Margred drehte sich der Magen um. Caleb glaubte ihr. Aber er verstand noch immer nicht.
Und diese Ahnungslosigkeit konnte ihn umbringen.
»Der Mensch trägt keine Verantwortung«, sagte sie. »Er ist nur ein Medium. Ein Opfer.«
»Aber wenn ich ihn schnappe …«
»Dann wird der Dämon einfach Besitz von einem anderen Wirt ergreifen. Er braucht Zeit, um einen Menschen unter seinen Willen zu zwingen, aber …«
»Wie lange?«, unterbrach sie Caleb.
»Was?«
»Wie lange wird es dauern, bis dieses … Ding in jemand anderen fährt?«
»Das hängt
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