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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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leuchtete in ihrer Brille. »Ich mache keine Kopien«, verkündete sie. »Und ich hole auch keinen Kaffee.«
    »Sie sind ja auch wirklich schwer beschäftigt«, sagte Caleb gedehnt.
    Edith klickte eine weitere Karte an. »Kommen Sie mir nicht so. Das Telefon klingelt schon den ganzen Morgen. Jeder Wichtigtuer der Insel ist heute durch diese Tür gekommen. Die Sommerfrischler wollen nur noch mit Personenschutz baden gehen, und die Grundstücksbesitzer verlangen, dass Sie alle Gaffer auf ihrem Grund und Boden verhaften.«
    Der Schraubstock, der Calebs Nacken umklammert hielt, zog sich fester zusammen. »Whittaker?«
    »Nichts von ihm gehört.«
    Caleb runzelte die Stirn. Das war seltsam. »Ist er aufs Festland gefahren?«
    »Und hat den ganzen Aufstand verpasst?« Edith rümpfte die Nase. »Wohl kaum.«
    »Er könnte krank sein. Ich schaue bei ihm vorbei, wenn ich Streife fahre.«
    Es war nicht leicht, allein auf der Insel zu leben. Besuche bei Leuten, die ans Haus gefesselt waren, und älteren Mitbürgern gehörten auch zur Öffentlichkeitsarbeit. Und in diesem Fall lieferte die Stippvisite bei Whittaker Caleb sogar einen willkommenen Vorwand, sich noch einmal in der Gegend umzusehen.
    »Wenn er jetzt ein Mensch ist, werde ich ihn finden.«
    »Von wem sprechen Sie?«, fragte Reynolds.
    Seine Frage riss Caleb aus seinen Gedanken. »Über einen Anwalt von hier«, antwortete er knapp.
    »Angeber von hier«, korrigierte Edith.
    »Okay, wenn Sie unterwegs sind, halten Sie Ausschau nach Reportern«, empfahl Reynolds. »Ein Team von
Channel Six
ist mit der Morgenfähre gekommen.«
    Edith wandte kein Auge von ihrem Kartenspiel. »Sie sind bei Antonia. Regina hat angerufen.«
    Calebs Anspannung wuchs. Er hatte gerade drei Stunden am Lügendetektor verbracht, aber Maggie konnte alles mit einem Fünf-Minuten-Interview und ein paar Sensationsschlagzeilen zunichtemachen. MEERJUNGFRAU VERHEXT POLIZIST . DÄMON AUF DER JAGD AN DER KÜSTE VON MAINE .
    Die Streife war gestrichen. Maggie brauchte ihn, ob sie es zugeben wollte oder nicht.
     
    Die Nachricht von einer nackten, toten Blondine am Strand zog mehr Menschen an als das Muschelfest des Rotary Clubs.
    Wie ein Wintersturm fegte die Bedrohung ihrer Insel die Einheimischen, denen der Sinn nach einem guten Essen, Gesellschaft und Gemeinschaft stand, aus ihren Häusern. Als Caleb die Eingangstür von
Antonias Ristorante
aufstieß, schwappte ihm eine Welle aus Lärm entgegen: Stimmengewirr, klirrendes Geschirr, das Zischen des Grills. Der Geruch von Fisch und Zwiebeln, Pommes frites und Kaffee waberte durch den Raum.
    Caleb überflog die vollbesetzten Sitznischen, die Schlange zwischen den Tischen, die wettergegerbten Gesichter überall im Raum. Neuengland-Gesichter, die meisten jedenfalls, mit Wikingeraugen und puritanischen Mündern.
    Wo war Maggie?
    Regina knallte zwei Teller aus der Durchreiche auf die Theke. »Eine Fischsuppe, Thunfisch auf Weizen, Hummerrolle mit Pommes. Holen Sie sich Ihre Bestellung ab, oder ich gebe es dem Nächsten, der dran ist.«
    Also keine Kellnerin. Keine Maggie. Calebs Magen krampfte sich zusammen. Konnte sie nicht ein einziges Mal bleiben, wo sie war?
    Der achtjährige Nick huschte zwischen zurückgeschobenen Stühlen und jeansbekleideten Beinen umher und räumte die Tische ab.
    Wo zum Teufel war sie?
    Regina fing seinen Blick auf und wies mit einer ruckartigen Kopfbewegung Richtung Küche. Der Knoten in Calebs Magen lockerte sich.
    Er machte einen Schritt, musste aber bremsen, als irgendein Idiot aus einer der Sitznischen glitt und sich ihm in den Weg stellte. Weiß, männlich, Mitte dreißig, Föhnfrisur, gebleichtes Lächeln. Keiner von der Insel, trotz des ihm vage vertrauten Gesichts. Caleb erkannte in ihm den
Channel-Six
-Reporter, noch ehe er den Mund aufgemacht hatte.
    »Chief Hunter?«
    Caleb nickte misstrauisch.
    Eine Flut von Fragen ergoss sich über ihn. Jemand hielt ihm ein langes schwarzes Mikrofon unters Kinn, als wäre es der Lauf eines Gewehrs. Calebs Kiefer verkrampfte sich, aber er schaffte es, nicht instinktiv nach dieser Waffe zu greifen.
Veteran macht Fortschritte in der Anpassung ans Zivilistenleben.
    »Halten Sie World’s End noch immer für einen sicheren Urlaubsort?«, fragte der Reporter.
    Fangfrage. Caleb hätte die Waffe vorgezogen. Die Gespräche im ganzen Restaurant kamen zum Erliegen, während Einheimische wie Sommerfrischler auf seine Antwort warteten. Auf seine Antwort zählten, hing doch gleichermaßen ihre

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