Wellenzauber
an die Karriere dachten und später an Kinder. Sina kümmerte sich um sie, aber sie musste schon bald Florian hinzurufen.
»Panik«, raunte sie ihm zu.
So etwas kam immer mal wieder vor. Kluge, tapfere Frauen, die angesichts der bevorstehenden Schmerzen zu wimmernden, ängstlichen Wesen wurden. Es kostete Florian und Sina viel Überredungskraft, um die Patientin von einer PDA abzubringen. Die Epiduralanästhesie wurde in Sankt Marien möglichst nur bei einem Kaiserschnitt verabreicht, nicht auf Wunsch. Sabrina Wiet gab sich schließlich geschlagen. Als sie ihre süße Tochter nach leidvollen Stunden im Arm hielt, schrieb sie mit der freien Hand eine SMS an alle Freunde und Verwandte: »Isabella ist geboren. Sie wird keine Geschwister haben.«
Sina und Florian lachten noch darüber, nachdem sie den Kreißsaal verlassen hatten. Sie fühlte sich ihm sehr nah nach diesem gemeinsamen Einsatz.
»Wenn du mir deine Handynummer gibst, könnte ich dir auch hin und wieder eine Nachricht schicken«, sagte Florian plötzlich. Er war stehengeblieben und schaute sie eindringlich an. Nichts Verträumtes war mehr in seinem Blick.
Sina sah sich um, dann zog sie ihn in ein leeres Besucherzimmer. Sofort wollte er sie in seine Arme schließen, aber sie wich zurück.
Florian stutzte. »Habe ich da etwas falsch verstanden?«
»Ich … glaube schon.«
Sein Blick wurde unsicher. »Ich dachte, du magst mich auch.«
»Klar, Florian, das tue ich. Ich mag dich sogar sehr. Aber …« Sie brach ab, unsicher, was sie sagen sollte. Dann nahm sie ihren ganzen Mut zusammen: »Kann ich dich etwas fragen?«
»Sicher.«
»Was bin ich für dich? Eine weitere Eroberung auf deiner langen Liste?«
Beleidigt zog er die Mundwinkel nach unten. »Du hast ja eine schöne Meinung von mir.«
»Du weißt wohl selbst am besten, was du für einen Ruf hast.«
»Ein Mann kann sich ändern. Du bist etwas Besonderes, Sina. Irgendwie geheimnisvoll. Ich würde gern hinter dein Geheimnis kommen. Es reizt mich, herauszufinden, wer du wirklich bist.« Er biss sich auf die Lippen, ahnend, dass er genau das Verkehrte gesagt hatte.
Sina atmete erleichtert auf.
Also doch, dachte sie. Ich bin für ihn nur eine Herausforderung.
Hätte er von echten Gefühlen gesprochen, wer wusste es schon, dann wäre sie vielleicht schwach geworden.
Aber nun lächelte sie ihn an, beinahe glücklich. Sie würde Kerstin nicht wehtun müssen. »Danke für deine Ehrlichkeit«, sagte sie. »Und damit das zwischen uns ein für alle Mal klar ist: Ich möchte, dass du mich in Ruhe lässt.«
Sie ging hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten.
Nach Feierabend, als sie gemeinsam die Geburtsklinik verließen und unter dem Nieselregen zum Parkplatz eilten, hakte sich Sina bei Kerstin ein und berichtete ihr von dem Gespräch mit Florian.
Vor Schreck blieb Kerstin stehen. »Das hast du wirklich zu ihm gesagt? Er soll dich in Ruhe lassen?«
Sina nickte. »Ich denke, er hat’s kapiert.« Von dem leisen Bedauern, das sie noch verspürte, sagte sie nichts.
»Oder er fühlt sich jetzt erst recht provoziert«, meinte Kerstin nachdenklich.
Die Freundinnen gingen weiter, und erst als sie schon an ihren nebeneinander abgestellten Kleinwagen angekommenwaren, fuhr Kerstin fort: » Ich habe da eine Idee. Weißt du, was das Beste wäre?«
Sina schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Soll ich mir einen anderen anlachen, damit Florian erkennt, wie aussichtslos die Lage ist? Ich fürchte, das würde mich im Moment überfordern.«
»Quatsch. Es reicht schon, wenn du Florian eine Weile aus dem Weg gehst. Warum verreist du nicht? Dann vergisst er bestimmt bald seine dumme Gefühlsverwirrung.«
Sina überlegte, ob sie beleidigt sein sollte, entschied sich aber dagegen.
»Hast du nicht bald Urlaub?«, fragte Kerstin, die sich für ihre Idee immer mehr begeisterte.
»Ja, sogar ganze drei Wochen. Aber ich bin nicht sicher, ob ich wegfahren kann. Du weißt ja auch, was in der Klinik los ist.«
»Blödsinn. Wir kriegen übermorgen zwei neue Hebammen. Das weiß ich aus sicherer Quelle. Und ich finde, du bist definitiv urlaubsreif. Die Warnecke wird dir bestimmt freigeben.«
Sina nickte. »Und ich könnte ein bisschen Sonne tanken«, sagte sie voller Sehnsucht.
Sie sah sich im Licht der Straßenlaternen um. Die tiefhängenden Wolken drohten mit weiterem Regen, und die nasse Kälte kroch ihr unter die Jacke.
Auf einmal hatte Sina ein klares Bild vor Augen: eine Insel im Süden. Helle Tage, die nach blühenden
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