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Wellenzauber

Wellenzauber

Titel: Wellenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Johann
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und schwere Momente überstanden, das rang ihm Hochachtung ab. Zum Beispiel Marisa Vignoli eben. Die Frau hatte drei Fehlgeburten hinter sich, war vierzig Jahre alt und hatte trotzdem nicht die Hoffnung aufgeben, Mutter zu werden. Sie hatte im Kreißsaal alles über sich ergehen lassen, nur mit dem einen Ziel: ihren Sohn auf die Welt bringen. Der werdende Vater hatte vor Angst gezittert, aber Marisa war ganz ruhig geblieben. Bewundernswert!
    Während er nun wieder in sein winziges Büro ging, kehrten seine Gedanken zu Sina zurück. Sie trug irgendein Geheimnis mit sich herum, vermutlich machte sie das so anziehend. Er hatte Gerüchte gehört, wusste aber nichts Genaues. Ob sie ein gebrochenes Herz hatte? Nun, er war kein Kardiologe, aber bestimmt konnte er da etwas tun. Florian lächelte zuversichtlich und widmete sich wieder den leidigen Papieren auf seinem Schreibtisch, von denen ihn der Notruf vorhin weggeholt hatte.
    Martha Tommasini wusch sich sorgfältig die Hände und ließ sie dann an der Luft trocknen. »Also? Was sagst du?«
    Federico hörte sie nicht. Er stand auf dem winzigen Küchenbalkon, dem einzigen in der Wohnung der Familie Mareddu, der zum Hafen und zum Meer hinausging, und ließ seinen Blick über die heute mehr blaue als türkisfarbene Bucht wandern. Nach all den Jahren überraschte esihn noch immer, wie das Mittelmeer seine Farbe ändern konnte. Die Costa Smeralda einige Kilometer weiter im Norden trug ihren Namen zu Recht, meistens lag ein smaragdfarbener Schimmer über dem Wasser. Aber manchmal, so wie heute, schien hier in der Bucht von Olbia ein freches Götterkind seinen tiefblauen Farbeimer vom Himmel gekippt zu haben.
    Martha zupfte ihn am Ärmel. »Die Zwillinge machen sich prächtig, nicht?«
    Keine Reaktion.
    Vor einer Woche hatten sie gemeinsam Filippa Mareddu bei der Geburt ihrer beiden kleinen Mädchen geholfen, heute war Federico zur Nachuntersuchung gekommen.
    Martha sah ihn an und übte sich in Geduld. Sie kannte das ja schon. Er war ein hervorragender Arzt, und das konnte Martha nach mehr als vierzig Berufsjahren als Hebamme sehr wohl beurteilen. Aber manchmal hatte er eben diese kleinen Aussetzer. Dann stand er irgendwo draußen, richtete seinen Blick aufs Meer und war vorübergehend nicht ansprechbar. Schon oft hatte sie sich gefragt, was mit ihm los war. Als er vor zehn Jahren auf die Insel kam, war er in keiner guten Verfassung gewesen. Etwas lastete schwer auf seiner Seele, das hatte Martha schnell bemerkt. Eine Schuld vielleicht. Aber da war auch noch mehr. Eine unerfüllte Sehnsucht? Aber was konnte einen jungen Mann von Mitte zwanzig schon so schwer zu schaffen machen? Er hatte sein ganzes Leben doch noch vor sich.
    Das eine oder andere Mal hatte Martha damals versucht, ihn zum Reden zu bringen. Aber Federico sprach nie über seine Vergangenheit. Auch nicht, als sie ihm sagte, dass sie aus derselben kleinen Stadt in Niedersachsen stammte wie er. Im Gegenteil, danach verstummte er nur noch mehr. Erübernahm die Praxis von Marthas schwerkrankem Mann Nino Tommasini und arbeitete von Anfang an hart.
    Als Nino wenige Wochen nach Federicos Ankunft auf Sardinien starb, vergaß Martha in ihrer grenzenlosen Trauer die Probleme des jungen Arztes. Mit den Jahren gewöhnte sie sich an seine stillen Momente, aber in letzter Zeit hatte sie den Eindruck, dass ihn eine neue Unruhe plagte. Sie vermutete, das hatte etwas mit Lorella zu tun. Federicos bezaubernde Sprechstundenhilfe war fest entschlossen, ihn zu heiraten, und rechnete täglich mit seinem Antrag. Martha mochte Lorella, aber sie war auch eine lebenserfahrene Frau, und sie ahnte, da lag noch etwas im Argen, das gelöst werden musste, falls es eine Zukunft für Federico und Lorella geben sollte.
    Endlich kehrte sein Blick aus der Ferne zu ihr zurück, ins Hier und Jetzt. »Ja«, sagte er. »Die kleinen Mädchen machen sich gut, aber die Mutter ist erschöpft. Ich werde ihr ein Stärkungsmittel verordnen, außerdem soll sie Fertigmilch zufüttern. Wenn sie beide voll stillt, laugt sie das zu sehr aus.«
    Martha nickte. Sie teilte seine Meinung. Filippa Mareddu hatte noch zwei ältere Kinder, die sie brauchten, und die Zwillinge raubten ihr im Augenblick ihre ganze Kraft. »Ich werde versuchen, eine Pflegerin zu finden«, erklärte sie. »Wenigstens stundenweise, damit sie ein wenig entlastet wird.«
    »Tue das.« Federico verließ mit einem langen Schritt den Balkon und nahm dankbar das Glas Wasser entgegen, das Martha ihm

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