Wellenzauber
Kasselerbraten an seiner Tür geklingelt hatte. »So viel Weisheit hättest du einer alten Hebamme wohl nicht zugetraut, was?«
Federico lächelte schief. »Ach, Martha, dir traue ich grundsätzlich alles zu. Ohne dich wäre ich damals hier völlig verloren gewesen, und ich habe den Verdacht, daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber eines ist sicher: Sina wird mir niemals verzeihen, dass ich sie damals im Stich gelassen habe.«
Martha stellte ihre Bierflasche ab und faltete nachdenklich die Hände. Fast sah es aus, als betete sie. »Erstens hast du sie nicht einfach nur sich selbst überlassen, sondern sicher bei einer Tante untergebracht, stimmt doch?«
»Schon.«
»Zweitens hast du damals ganz richtig gehandelt. Schließlich war sie minderjährig und trauerte um ihre Eltern. Stell dir vor, du hättest ihr deine Liebe gestanden. Womöglich hätte sie eine weitere Erschütterung gar nicht verkraftet.«
Federico fühlte wie sich ein Sünder, dem nach langem Warten endlich die Absolution erteilt wurde. Dankbar legte er eine Hand auf Marthas noch immer gefalteten Hände.
»Wie war das eigentlich?«, fragte Martha nach einem Momentdes freundschaftlichen Schweigens. »Hattest du damals das Gefühl, sie liebt dich auch?«
Federico nickte zögernd. »Möglich, aber ich bin mir bis heute nicht sicher. Ungefähr ein Jahr vor der Tragödie fing sie an, sich anders zu verhalten. Es kam mir plötzlich so vor, als würde sie mich regelrecht anhimmeln. Ach, nein.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Bestimmt habe ich mir das nur eingebildet, weil ich über meine eigenen Gefühle so erschrocken war. Außerdem konnte das höchstens die Schwärmerei eines Teenagers sein.«
Martha zog ihre Hände weg und tippte sich mit einem Finger gegen die Stirn. »Und da irrst du möglicherweise schon wieder. Von der Liebe, mein Guter, hast du wirklich keine Ahnung.«
Federico sah Martha zweifelnd an. »Du glaubst doch nicht etwa wirklich, dass ein junges Mädchen schon so lieben kann wie eine Erwachsene?«
»Sagen wir mal so: Ich glaube, es geht hier weder um Logik, noch um Alter, noch um Zeit. Die Liebe gehorcht ihren eigenen Regeln, und die können wir beschränkten Menschen gar nicht erfassen. Zum Glück, würde ich sagen.«
»So«, sagte Federico matt. »Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Mal kurz Sina besuchen und sagen: Hey, tut mir leid, dass ich spurlos verschwunden war. Aber können wir die zehn Jahre nicht mal eben vergessen und noch mal von vorn anfangen? Ich schätze, dann habe ich die Wahl zwischen geohrfeigt werden und einem schnellen Tod durch Erschießen.«
Martha stand auf und streckte sich. »Manchmal reicht es, wenn man die Dinge geschehen lässt«, meinte sie dann rätselhaft.
Federico wollte wissen, was sie damit sagen wollte, Marthaließ sich jedoch zu keiner weiteren Äußerung provozieren, packte kurz darauf ihre Töpfe wieder ein und verließ ihn.
Als es nur wenige Minuten später erneut klingelte, dachte er, die Hebamme habe etwas vergessen, und öffnete, ohne durch den Türspion zu schauen.
Mit einem triumphierenden Blick stolzierte Lorella herein, sah sich in der Wohnung um und stellte mit sicherem Instinkt fest: »Du hast Besuch gehabt.«
Das geht dich nichts an, dachte Federico, sagte aber laut: »Martha war hier.«
Die Auskunft schien sie für einen Moment zu beruhigen, aber rasch verfinsterte sich wieder ihre Miene. »Martha, also. Und was habt ihr beide ausgeheckt?« Sie baute sich vor ihm auf, groß, beinahe bedrohlich. »Ihr steckt doch unter einer Decke. Ich habe zwar keine Ahnung, worum es geht, aber irgendetwas ist hier im Gange, und ich bin die Leidtragende.«
Er musste sich zwingen, nicht einen Schritt zurückzuweichen. »Lorella, ich bitte dich. Du bildest dir da etwas ein. Martha hat mir ein deutsches Essen gebracht, das ist alles.«
Der Blick ihrer dunklen Augen drang in ihn ein und fand eine andere Wahrheit. Die Temperatur im Raum kühlte merklich ab. »Du kannst vielleicht mit mir Schluss machen, Federico Bergmann. Aber du kannst mich nicht für dumm verkaufen. Ich werde schon noch dahinterkommen, was ihr beide treibt.«
Dann ging sie, und er wusste, er hatte sich eine Feindin gemacht.
7. Kapitel
Professor Reinhold Haber nahm mit einem Ruck den Telefonhörer ab und bellte hinein: »Ich habe gesagt, ich möchte nicht gestört werden, Frau Pietsch! Wollen Sie gefälligst meine Anordnung respektieren!«
Hektisch fuhr er sich mit den Fingern durch sein noch immer
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