Wells, ich will dich nicht töten
in die Knochen.
Es war Pfarrer Erikson.
»Hallo, John.«
Er hatte mich gefunden! Mein Herz schlug wie wild, und ich blickte verzweifelt zum Fenster hinüber, als könne jeden Moment ein Schwarm Polizisten auftauchen. Doch draußen war niemand. Ich wich einen Schritt zurück und war drauf und dran, die Flucht zu ergreifen.
»Das war ja ein schöner Auftritt beim Ballabend«, sagte er. »Wie ich hörte, hast du deine Mitschüler gerettet.«
Das war es also. Ich war beim Tanz in Erscheinung getreten, alle hatten mich mit Ashley reden sehen. Natürlich kam so etwas auch bei den Nachrichtenredaktionen an. Ich hatte noch gar nicht daran gedacht, die Nachrichten einzuschalten, weil ich viel zu sehr mit Brooke, Rachel und Marci beschäftigt gewesen war. Ich starrte den Fernseher an und hätte gern erfahren, was dort berichtet wurde, aber es war Nachmittag, und die Mittagssendung war längst vorbei. Die Abendnachrichten kamen erst in einigen Stunden. Ich seufzte.
»Das haben Sie sich zusammengereimt, was? Allerdings gibt es viele Jungs, die John heißen. Es hätte auch jemand anders sein können.«
»Möglich, aber unwahrscheinlich. Ich habe geraten und bin hergekommen.«
Dann war er seiner Sache also erst sicher, seit er mich …
»Keine Sorge«, fuhr er fort, als hätte er meine Gedanken gelesen, »ich habe auch das Auto vor der Tür erkannt. Du hättest die Tür gar nicht mehr öffnen müssen.«
Ich nickte und ließ mir mein Entsetzen äußerlich nicht anmerken. Wenn die Meldungen in den Nachrichten ausgereicht hatten, damit Pfarrer Erikson sich alles zusammenreimte und mich ausfindig machte, wer außer ihm würde dann noch meine Spur verfolgen? Hatte Niemand die gleichen Schlüsse gezogen? Die Polizei hatte sich sehr bemüht, meine Beteiligung am Forman-Fall geheim zu halten. War meine Tarnung mittlerweile zum Teufel?
Ich verdrängte die Gedanken und blickte den Pfarrer an. Um ihn musste ich mir zu allererst kümmern. »Was wollen Sie?«
»Du hast gelogen, du hast nicht mit der Therapeutin gesprochen. Im Krankenhaus gibt es nur eine einzige, und die hat noch nie von dir gehört.«
Ich hob die Schultern. »Ich wollte Sie loswerden. Das war auch gut so. Was wäre wohl gestern Abend beim Ball passiert, wenn Sie die Polizei gerufen hätten und ich nicht dort gewesen wäre, um zu helfen?«
»Genau genommen wohl überhaupt nichts«, erwiderte er. »Die Bombe war eine Attrappe. Damit bist du natürlich nicht weniger tapfer, aber dein Versuch, die Bombe zu entschärfen, war letztendlich überflüssig.«
Ich lächelte schmal. »Na gut. Zeigen Sie mich jetzt an? Den Homecoming-Helden?«
»Ich …« Er schüttelte den Kopf. »Ist dein Vater da?«
»Nein.«
»Wann kommt er wieder?«
»Das frage ich mich schon seit neun Jahren.«
Der Priester nickte, als hätte ich damit etwas Wichtiges erklärt. »Und deine Mutter?«
»Beim Einkaufen.«
Abermals nickte er. »Ich bin nicht sicher, ob ich dich wirklich verstehe, John. In der Kirche habe ich oft mit verwirrten Menschen zu tun, alle lügen hin und wieder mal, und alle brechen ihre Versprechen, aber du … du bist der Einzige, der mir ins Gesicht lügt, mich zu Tode erschreckt und dann sein Leben riskiert, um anderen zu helfen.«
»Ich bin eben voller Überraschungen.«
»Das kann man wohl sagen.« Er nickte. »Deine Theorie über den Handlanger scheint völlig richtig zu sein.« Er stapfte hin und her und spähte mir über die Schulter.
»Warum sind Sie hergekommen?«
Er nickte bedächtig. »Immer noch aus dem gleichen Grund. Ich will, dass du mit meiner Freundin sprichst.«
»Weil Sie glauben, ich könnte jemandem etwas antun?«
»Ich glaube, ein Gespräch mit einer Therapeutin wäre nützlich für dich.«
Ich lachte humorlos. »Wie viele Menschenleben muss ich noch retten, damit Sie mich für keinen Verbrecher mehr halten?«
»Wir haben eine Abmachung, John …«
»Die gilt nicht mehr«, erklärte ich mit Entschiedenheit. Es wurde Zeit, der Sache ein Ende zu bereiten. Zeig ihm nachdrücklich, was du willst, dachte ich, und gib ihm keine Gelegenheit zum Widerspruch. »Gehen Sie doch zur Polizei und erzählen Sie, dass ich vor zwei Wochen darüber gesprochen habe, jemanden zu töten. Die werden Sie fragen, warum Sie das nicht schon früher gemeldet haben, und Sie werden wie ein Idiot dastehen, wenn Sie sagen: Er hat mich gebeten, es für mich zu behalten. Man wird wissen wollen, ob Sie außer meinen Andeutungen noch weitere Hinweise haben, aber die gibt
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