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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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es nicht. Dann wird man Sie fragen, ob Ihnen klar ist, dass John Cleaver sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um ein Gebäude voller Menschen zu retten, und damit haben Sie das Ende der Fahnenstange erreicht.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Polizei mag mich. Aber gehen Sie nur hin, wenn Ihnen danach zumute ist.«
    Ich beobachtete ihn genau und achtete darauf, keine Miene zu verziehen. Funktionierte es? Kaufte er es mir ab? Wenn er es darauf ankommen ließ und mich anzeigte, konnte ich größten Ärger bekommen. Ich hoffte nur, dass ihn mein selbstbewusstes Auftreten überzeugte.
    Er stand auf dem Treppenabsatz und musterte mich schweigend. Nach einer Weile nickte er. »Ich verstehe.« Er dachte nach. »Ich verstehe.« Dann blickte er mir in die Augen, die Mundwinkel waren heruntergezogen. Er war traurig. »Sei bloß vorsichtig, John. Du hast dich auf eine gefährliche Sache eingelassen – und die ist wahrscheinlich weitaus gefährlicher, als dir überhaupt bewusst ist. Ruf mich an, falls du irgendetwas brauchst.«
    Ich schwieg.
    Er wandte sich um und ging.
     
    Ein paar Tage später traf Sheriff Meiers Leiche bei uns ein. Es war ein Montagnachmittag, und ich kehrte gerade aus der Schule nach Hause, als Mom und Margaret mit der Arbeit begannen. Ich wusch mir die Hände und half ihnen, säuberte den Körper und richtete das Gesicht her. Die Wunden schmierte ich mit Vaseline zu. Während wir arbeiteten, dachte ich über Niemand nach und versuchte, alles, was ich über sie wusste, zu einem Gesamtbild zusammenzufassen. Sie tötete junge Mädchen und ließ es wie Selbstmorde aussehen. Das war es auch schon, mehr wusste ich nicht. Außer den Fingerabdrücken der Mädchen hatte man keine weiteren gefunden, auch keine Kampfspuren. Keine Anzeichen dafür, dass irgendeiner der Todesfälle etwas anderes als Selbstmord gewesen war. Gut möglich, dass die Polizei Informationen zurückhielt, aber auch diese Hinweise deuteten vermutlich auf einen Selbstmord hin. Sonst hätte Officer Jensen sich viel größere Sorgen um seine Tochter gemacht.
    Während ich an der Leiche arbeitete, versuchte ich sie mehrere Male umzudrehen, um den Rücken zu betrachten, doch immer fand Mom etwas, das vorher noch erledigt werden musste: In den Haaren klebte Schmutz, also mussten wir sie noch einmal waschen, der Draht im Mund saß zu stramm und verlieh der Nase ein verkniffenes, unnatürliches Aussehen. Aber das stimmte alles gar nicht. Er sah gut aus. Sie wollte nur Zeit schinden.
    »Früher oder später müssen wir ihn umwenden«, sagte ich. »Wir können ihn nicht einbalsamieren, solange wir nicht den Rücken versiegelt haben.«
    »Ich weiß«, erwiderte sie und schnitt eine Grimasse. »Ich weiß nur nicht, ob ich damit klarkomme. Ich bin in dieser Hinsicht zwar ziemlich abgebrüht, aber trotzdem. Wie viele Rückenwunden waren es bei David Coleman? Und wie viele mag der hier haben?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Wir kommen nicht darum herum.«
    Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Dann bringen wir’s hinter uns.« Wir stellten uns auf die linke Seite und hoben den Körper an, um ihn langsam aufs Gesicht zu drehen. Überrascht und mit offenen Mündern hielten wir inne, beugten uns über den Rücken und vergewisserten uns. Der Rücken war stark misshandelt, aber längst nicht so schlimm wie bei Coleman. Ich zählte, während Mom die Akte vom Beistelltisch herholte.
    »Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig …«
    »Vierunddreißig.« Sie blickte auf. »Weniger als Robinson.«
    »Bei Pastor Olsen waren es zweiunddreißig«, sagte ich. »Sie waren sich relativ ähnlich, nur Coleman wich davon ab. Warum war es bei ihm anders?«
    »Das geht uns nichts an«, beschied mich Mom rasch. Sie klappte den Ordner zu und legte ihn weg. »Wir müssen nur dafür sorgen, dass Sheriff Meier bei der Aufbahrung so gut aussieht wie im Leben, das ist alles. Wir sind keine Ermittler.«
    »Aber es ist wichtig.«
    »Nicht für uns.« Sie schnappte sich einen Topf mit Vaseline. »Wir wollen einfach nur dankbar sein, dass es nicht so schlimm ist, wie wir befürchteten, und nicht mehr darüber sprechen.«
    Ich wollte protestieren, doch sie funkelte mich böse an, und ich schwieg. Margaret blickte vom Seitentisch kurz herüber, griff aber nicht ein, sondern setzte die Arbeit an den inneren Organen fort. Schweigend kümmerte ich mich um den durchlöcherten Rücken.
    Drei Opfer mit sehr ähnlichen Merkmalen, dazwischen eins, das aus der Reihe ausbrach. Nicht nur

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