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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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wegen der Augen, sondern auch wegen der Rückenwunden – sie folgten keinem aufsteigenden Trend, sondern waren ein Ausreißer. Wie passte das hier hinein?
    Was hatte das zu bedeuten?
    Über diese Fakten dachte ich nach und versuchte Ordnung ins Chaos zu bringen, während ich die Stichwunden mit Mull versorgte. Der Handlanger tötete, wurde wütend und zerfleischte den Opfern den Rücken. Bei Coleman war er viel wütender geworden als bei allen anderen. Was also regte ihn so auf?
    Die Vermutung, dass es mit Colemans Sünden zu tun hatte, lag nahe. Er war der Einzige, der sich Pornografie angesehen hatte, sogar Kinderpornografie. Das hatte für den Killer möglicherweise eine besondere Bedeutung gehabt. Hatte er in der Jugend ein Trauma erlitten? War er misshandelt oder missbraucht worden? Doch wir hatten es mit keinem Menschen, sondern mit einem alterslosen Dämon zu tun. Hatten Dämonen tatsächlich so etwas wie eine Jugend, in der sie traumatisiert werden konnten? War so etwas bei ihnen überhaupt möglich?
    Je länger ich darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher kam es mir vor. Der Handlanger hatte auf die Pornografie reagiert und Coleman die Augen herausgeschnitten. Dabei war er ebenso kühl und methodisch vorgegangen wie bei den Händen und der Zunge. Die Wut, mit der er Colemans Rücken bearbeitet hatte, war eine ganz andere Sache, die durch etwas anderes ausgelöst worden war. So seltsam es auch schien, ich musste die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Abweichungen bei Colemans Leiche ganz andere Ursachen hatten. Irgendetwas hatte den Dämon dermaßen in Zorn versetzt, dass er ausgerastet war wie nie zuvor. Ein äußerer Einfluss? Irgendetwas in seinem Privatleben? Verwirrt schüttelte ich den Kopf, denn ich konnte nicht einmal sagen, ob ein Dämon überhaupt ein Privatleben besaß.
    Sobald wir die Stichwunden bedeckt hatten, strichen wir sie mit Vaseline ein, fixierten das Ganze mit Klebeband und rollten den Toten wieder zurück. Mom bereitete die Einbalsamierungsflüssigkeit vor, ich griff zu Skalpell und Haken und legte hinter dem Schlüsselbein die Blutgefäße frei. Wir öffneten sie, schoben die Schläuche hinein und schalteten die Pumpe ein.
    Marci und ich hatten schon vor Wochen, als wir während der Beerdigung des Bürgermeisters im Büro gesessen hatten, über die Rückenwunden gesprochen. Unserer Ansicht nach war das Töten selbst der Anlass für die Wut gewesen. Irgendetwas am Töten hatte den Täter furchtbar aufgeregt. Aber warum tötete er dann überhaupt jemanden?
    Wir wissen, warum er Menschen tötet, dachte ich. Er will die Schuldigen bestrafen. Was aber löste diesen Wunsch aus? Welche Mechanismen klickten in seinem Kopf und sagten ihm, jetzt sei es Zeit, jemanden zu töten? Abgesehen vom letzten waren alle Opfer im Abstand von fünfzehn Tagen gestorben: Sonntag, Montag, Dienstag und noch einmal Dienstag. Hatten die Wochentage etwas zu bedeuten, oder war die Zeitspanne dazwischen wichtig? War der letzte Mord einen Tag zu früh geschehen, oder war der zeitliche Ablauf lediglich ein Zufall?
    Ich blickte zu dem Wandkalender hinüber, einem großen Poster, das einen Urlaubsort am Meer und am unteren Rand alle zwölf Monate in winzigen Zahlenblöcken zeigte. Mom beobachtete mich; wahrscheinlich ahnte sie, dass ich über die Morde nachdachte, doch ich kümmerte mich nicht darum und trat zur Wand, zog die Gummihandschuhe aus und tippte nacheinander auf die Daten. 8 . August, 23 . August, 7 . September, 21 . September. Das verriet mir nichts, was ich nicht schon wusste. Deshalb suchte ich nach anderen Daten, nahm einen Stift von der Arbeitsfläche und notierte alles, was mir einfiel. Die Bombenattrappe beim Ball. Colemans Entlassung. Den Tag, an dem die Hände des Pastors gefunden wurden. Die Hände des Bürgermeisters wurden gefunden …
    Sonnabend, 4 . September. Der Handlanger hatte die Hände des Bürgermeisters verbrannt und wäre dabei fast erwischt worden – nur drei Tage bevor er Colemans Rücken zerfleischt hatte. Das war die engste zeitliche Beziehung, die ich zwischen zwei Ereignissen herstellen konnte.
    Ich starrte den Kalender an, meine Gedanken rasten, und dann hätte ich mir beinahe selbst einen Tritt versetzt, weil ich es nicht schon längst erkannt hatte. Er wurde fast erwischt – war er deshalb so wütend geworden? Aber nein – der Handlanger hatte Briefe an die Zeitung geschrieben und Ashley dann gezwungen, auf dem Ball seinen Brief vorzulesen. Nicht der Fund

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