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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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sich der nächste Mord an diesem Abend ereignen, am Mittwoch. Falls er aber zum alten Schema zurückkehrte, wartete er vielleicht bis Donnerstag. Wenn er früher zuschlug, wie er es schon einmal getan hatte, käme ich zu spät, und er hätte bereits in der letzten Nacht jemanden getötet. Ich schaltete den Fernseher wieder ein und suchte eine Nachrichtensendung, doch bisher schien nichts über ein weiteres Opfer bekannt zu sein. Ich schaltete wieder aus und lief abermals im Zimmer hin und her.
    Das Warten wurde mir zur Qual.
    Endlich, als Mom um acht Uhr aufstand, verzog ich mich mit dem Telefon in mein Zimmer, schloss hinter mir ab und wählte die Privatnummer des Pfarrers. Er meldete sich beim zweiten Klingeln.
    »Hallo?«
    Showtime. »Pfarrer Erikson? Geht es Ihnen gut?«
    »Wer ist da?«
    »Ich bin’s«, sagte ich. »John Cleaver, der Typ, der dauernd über Dämonen spricht.«
    »Oh.« Er machte eine Pause. »Gibt es irgendetwas?«
    »Ich wollte mich nur vergewissern, dass es Ihnen gut geht.« Ich gab mir Mühe, nicht aufgeregt zu klingen. »Gerade habe ich Ihre Botschaft in der Zeitung entdeckt, und ich hatte schon Angst, Ihnen könnte etwas zugestoßen sein.«
    »Welche Botschaft?«
    »Ihr Leserbrief. Ich habe ihn gerade gelesen. Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, als Sie ihn geschrieben haben, aber der Handlanger wird mächtig wütend auf Sie sein.«
    »Ich habe keinen Leserbrief geschrieben.«
    »Von wegen. Ich habe ihn doch vor mir. Der Handlanger hat unserer Gemeinde mitgeteilt, er sei gekommen, um die Stadt zu läutern. Die Redakteure haben sich sicher nichts dabei gedacht, aber …«
    »Das habe ich nicht geschrieben«, unterbrach er mich. »Steht denn mein Name drunter?«
    »Darunter steht: Pfarrer Brian Erikson«, sagte ich. »Sind Sie das nicht?«
    »Das ist mein Name, aber ich habe keinen Leserbrief geschrieben.« Er hielt kurz inne. »Was steht sonst noch drin?«
    »Was glauben Sie denn, wer ihn geschrieben hat?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung.« In der Nähe des Telefons fiel eine Tür zu. »Was steht sonst noch drin?«
    »Eine Menge Äußerungen, die den Handlanger garantiert sehr wütend machen«, erklärte ich. »Es geht dort auch um seinen Hass auf alle Autoritäten und sein Interesse an Religion. Sie können sich vorstellen, wie er sich darüber aufregen wird. Sie haben ihn sogar als Sünder bezeichnet.«
    »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich den Brief nicht geschrieben …« Im Hintergrund knallte wieder eine Tür.
    »Ich kann Ihnen den Text vorlesen …«
    »Schon gut, ich habe meine Zeitung gerade hereingeholt.« Ich hörte Papier rascheln, darauf folgte ein langes Schweigen. Schließlich ergriff er wieder das Wort. »Ich muss auflegen, John. Ich muss die Zeitung anrufen und …«
    »Nein!«, sagte ich. »Sie müssen verschwinden.«
    »Warum denn das?«
    »Erkennen Sie nicht, was das bedeutet? Ob Sie den Brief geschrieben haben oder nicht, der Handlanger glaubt, dass Sie es waren, und damit sind Sie mit größter Wahrscheinlichkeit sein nächstes Opfer.«
    »Aber …«
    »Wenn Sie den Brief nicht geschrieben haben, dann hat es ein anderer in Ihrem Namen getan, um Sie zum Ziel zu machen. Das würde bedeuten, dass es sogar zwei Menschen gibt, die Ihnen den Tod wünschen.«
    Schweigen. »Warum bist du dir da so sicher?«
    »Lesen Sie den Brief noch einmal.« Ich hob die Zeitung. »Der Handlanger ist besessen von Religion und hat es auf Autoritätspersonen abgesehen. In dem Brief, den er zu unserem Ballabend schickte, hieß es ausdrücklich, er sei gekommen, um die Stadt zu läutern, indem er die Menschen tötet, die uns in die Irre führen. Das lässt auf ein starkes, verdrängtes Schuldgefühl vor einem religiösen Hintergrund schließen. Bis hierhin ist dies das kleine Einmaleins der Täterprofilierung. Der Brief konfrontiert ihn direkt mit diesem Schuldgefühl, und geschrieben hat ihn anscheinend ein religiöser Anführer, was die Sache noch schlimmer macht. Dann wird Ihre eigene moralische Überlegenheit betont, und Sie raten der Stadt, die Botschaft des Killers nicht zu beachten. Die Botschaft ist dem Handlanger jedoch so wichtig, dass er eine ganze Schule mit einer Bombe bedroht hat. Wenn ihm jetzt jemand sagt, wir sollten nicht darauf hören und besser Ihnen folgen, dann kommt dies einem Todeswunsch gleich.«
    Schweigen.
    »Dieser Brief verwendet die Worte des Handlangers gegen ihn selbst«, fuhr ich fort. »Das sieht man an Formulierungen wie Deine Hände

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