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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Wenn sie wüsste, dass es dich trifft, täte es ihr schrecklich leid.«
    »Kann sein.« Marci wandte sich wieder zu mir um, bis sie mein ganzes Gesichtsfeld ausfüllte, und strahlte mich an. »Aber jetzt habe ich dich, oder?«
    Ich erwiderte das Lächeln und freute mich über die Nähe. »Und ob.«
    Unser Essen kam, und wir suchten uns den saubersten Tisch, den wir finden konnten. Mitten auf das Tablett kippte Marci einen riesigen Klecks Ketchup, in dem sie mit ein paar Fritten lässig herumrührte.
    »Wie war er eigentlich?«, erkundigte sie sich nach einem kurzen Schweigen.
    »Wer?«
    »Clark Forman. Ich bin ihm natürlich einige Male begegnet, kann aber nicht behaupten, dass ich ihn kannte. Jedenfalls nicht so wie du oder Brooke.«
    »Brooke war ja nur ein paar Stunden dort«, wandte ich ein. Ich beobachtete Marci, wie sie mit dem Ketchup spielte, das zäh und rot wie gerinnendes Blut aussah. »Und kurz nachdem sie dort ankam, war Forman bereits tot. Ich war schätzungsweise volle zwei Tage dort, kannte ihn aber trotzdem nicht richtig. Immerhin wusste ich einiges über ihn, und das war genug, um ihm zu entkommen.«
    »Er war schrecklich.« Sie spie die Worte aus wie bittere Galle. »Er war ein Ungeheuer und hat ein schlimmes Ende verdient.« Sie hob den Kopf und erwiderte meinen Blick. »Ich kann immer noch nicht fassen, was du da alles durchgemacht hast.«
    Es fiel mir schwer, ihre Miene zu deuten: Verbitterung und Zorn, aber auch Zärtlichkeit. Sie legte mir eine Hand auf den Arm. Sollte das ein Ausdruck von Zuneigung sein, oder war es bloß besitzergreifend? Ich spähte zur anderen Seite des Raums hinüber, wo Brooke gerade mit Kunden sprach. Es war ein rascher Blick, doch Marci verstärkte den Griff sofort.
    Ich versuchte, sie von Brooke abzulenken. »In Formans Haus war ich die meiste Zeit eingesperrt. In der ersten Nacht ganz allein, danach noch einmal einen Tag und eine Nacht im Keller.«
    »Das muss ganz schrecklich gewesen sein.«
    »Irgendwie schon. Allerdings war ich eher wütend als verängstigt. Ich habe weniger starke Gefühle als die meisten Menschen. Die anderen waren traumatisiert, ich durchdachte alles und suchte nach einem Ausweg.«
    »Das ist der Unterschied«, erklärte sie mit Bestimmtheit.
    »Was?«
    »Du bist doch derjenige, der die anderen gerettet hat, oder?«
    »Ja.«
    Sie nickte und starrte wieder den Ketchupklecks an, rührte darin herum, schob sich die Fritten in den Mund, kaute und schluckte. »Wie läuft es denn mit deinem Plan, uns alle vor dem Handlanger zu retten?«
    Verwirrt legte ich den Kopf zur Seite. Anscheinend hatte sie die schlimmen Folgen des Balls überwunden.
    »Gar nicht so übel«, antwortete ich. »Wenn alles gut geht, schafft er es vielleicht doch nicht, die ganze Stadt umzubringen.«
    Sie hob den Kopf. »Geht es denn meistens gut?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es ist noch nie gut gegangen.«
     
    Am Mittwoch stand ich früh auf und wartete am Fenster auf den Zeitungsboten. Er kam um sechs und warf die Zeitung nachlässig in Richtung der Leichenhalle. Ich rannte sofort in die Kälte hinaus und holte sie. Drinnen breitete ich sie auf dem Küchentisch aus und suchte die Leserbriefe. Und da war er auch, ganz oben als erster abgedruckt: mein Brief an den Handlanger, angeblich von Pfarrer Erikson geschrieben. Man hatte ihn tatsächlich abgedruckt. Zuerst hatte ich mir Sorgen gemacht, die Redakteure könnten ihn zurückhalten, weil er zu kontrovers war, oder sie könnten vor der Veröffentlichung anrufen und bei Erikson rückfragen, doch das hatten sie offenbar nicht getan. Sie hatten den Brief für echt gehalten und gedacht, er sei eine Botschaft der Hoffnung in schweren Zeiten.
    So würden ihn auch alle anderen mit Ausnahme des Handlangers auffassen. Für ihn allerdings war der Brief eine Einladung zum Tanz.
    Ich muss Erikson anrufen, dachte ich. Doch ich überwand mich und blieb ruhig. Es musste überzeugend klingen, damit er mir glaubte. Wenn ich zu früh anrief, würde er mich sofort als Verfasser entlarven und meinen Plan durchkreuzen. Vor Nervosität setzte ich mich auf die Hände, lief im Zimmer umher, schaltete den Fernseher ein, wechselte ständig die Kanäle, schaltete den Apparat wieder aus. Was mochte passieren, wenn der Handlanger den Brief ebenso früh sah wie ich und beschloss, den Geistlichen sofort zu töten, statt bis zum Abend zu warten? Die zwei Wochen waren verstrichen. Wenn der Killer weiterhin nach jeweils fünfzehn Tagen zuschlug, dann würde

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