Wells, ich will dich nicht töten
etwa Formans Telefon benutzt?«
Alle starrten mich an.
»Das fände ich echt beunruhigend«, fuhr ich fort. »Glauben Sie, er war der geheimnisvolle Komplize, nach dem Sie gesucht haben?«
»Hat er wirklich selbst die Polizei angerufen?«, fragte Agentin Ostler mit verschränkten Armen.
»Ich glaube, er wollte sich stellen. Oder wenigstens einer Behörde gegenüber die Taten gestehen, bevor er sich erschoss.«
Officer Jensen seufzte, Officer Moore beugte sich vor. »Du hast behauptet, er habe dich töten wollen, und jetzt sagst du, er habe sich stattdessen selbst getötet. Was ist passiert, warum hat er seine Meinung geändert?«
»Das weiß ich nicht.« Ich ließ mir nichts anmerken. »Vielleicht habe ich eine seltsame Wirkung auf andere Menschen.«
Agentin Ostler funkelte mich an. »Sollte dir Gefahr drohen, kann ich dich jederzeit in Schutzhaft nehmen. Glaub mir, das ist von einem Gefängnisaufenthalt kaum zu unterscheiden.«
»Er wird nicht weglaufen.« Officer Jensen schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. »Ich bürge für ihn.«
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte sie.
»Er wird in der Stadt bleiben, er wird zu den Vernehmungen erscheinen, und er wird die Ermittlungen auf jede nur erdenkliche Weise unterstützen.« Er blickte mich scharf an. »Ist das richtig, John?«
»Natürlich.« Ich nickte. »Ich halte mich an die Vorschriften.«
»Also gut«, knurrte Agentin Ostler. »Du kannst gehen. Aber wir behalten dich scharf im Auge.«
»John, dir ist nichts passiert!« Mom lief quer durch den Vorraum der Polizeiwache und erdrückte mich fast mit ihrer Umarmung. Ich ruderte mit den Armen, klopfte ihr auf den Rücken und entzog mich weit genug, um wieder atmen zu können. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ein Glück, dass du wohlauf bist.«
»Mir ist nichts passiert.« Ich trat einen Schritt zurück. »Du zerquetschst mich noch.«
»Ich hätte heute Abend nicht weggehen dürfen, das werde ich mir nie verzeihen«, klagte sie.
»Bitte nicht!«, ächzte ich. »Soll ein verrückter Killer schuld daran werden, dass ich ersticke?«
»Das ist schon der dritte verrückte Killer, wie du sicher weißt.« Sie hielt inne und blickte mir tief in die Augen. »Sag mir, dass du nichts damit zu tun hast«, sagte sie. »Sag mir sofort, dass es ein Überraschungsangriff war.«
Ungerührt und unschuldig erwiderte ich ihren Blick. »Ich hatte den Mann vor dem heutigen Abend noch nie gesehen. Ich hatte keine Ahnung von seiner Existenz.«
»Schwörst du es?«
»Ich schwöre es.« Hinter ihr stand Lauren, die Arme vor der Brust verschränkt, mit bleichem und verkniffenem Gesicht. Sie hatte Angst, war aber auch wütend. Sie wusste, dass ich alles geplant hatte, und sie wusste, dass ich sie und Mom unter einem Vorwand aus dem Haus gelotst hatte. Ob sie es der Polizei verraten würde?
Es war fast zwei Uhr morgens, als wir die Polizeiwache verließen, und sogar noch später, als meine Mom endlich einschlief. Ich lag die ganze Nacht wach und warf mich unruhig im Bett hin und her. Um drei Uhr schlich ich nach draußen in den Wald, um Max’ Pistole zu suchen. Sie war noch dort, wo ich sie zurückgelassen hatte, gut zwanzig Meter hinter den ersten Bäumen, unberührt und unbeachtet. Ich wischte den Schmutz ab, wog sie nachdenklich in der Hand, bückte mich und vergrub sie tief in der Erde. Agentin Ostler war misstrauisch. Sie durfte mich mit keiner Waffe erwischen, auch wenn daraus kein Schuss abgefeuert worden war. Ich kehrte zur Leichenhalle zurück, schlich durch die Hintertür hinein und verbrachte die nächste Stunde damit, alle Särge zurückzuschleppen. Dabei stellte ich mir hundert verschiedene Killer vor – still, unsichtbar, unaufhaltsam. Wo war Niemand?
Um halb fünf konnte ich das Warten nicht mehr ertragen und rief aus der Küche Marcis Handy an. Es klingelte siebenmal, ehe sich ihre Sprachbox meldete. Ich legte auf, zählte bis drei und wählte noch einmal. Nach dem sechsten Klingeln war sie endlich dran.
»John?«
»Alles klar bei dir?«
»John, es ist halb fünf Uhr morgens.«
»Geht es dir gut?«
»Ja, mir … mir geht es gut. Was ist los?«
»Pass gut auf und hör genau hin. Ist da irgendetwas?«
»Was soll das?«
»Tu, was ich sage.«
Eine Pause. »Ich höre den Wasserenthärter im Keller.«
»Ist das alles? Bist du sicher?«
»Das ist alles.« Nach und nach wurde sie ganz wach. »Jetzt sag mir, was los ist. Ist jemand bei uns eingebrochen?«
»Das weiß ich nicht«, gab
Weitere Kostenlose Bücher