Welpenalarm! - Scheunemann, F: Welpenalarm!
noch nicht ganz trocken. Ihre kleinen Ruten zucken vor und zurück, hin und wieder verliert ein Welpe den Kontakt zur Zitze und schnappt gierig nach, die kleinen Köpfchen drängen hin und her.
»Geht’s dir gut?«, flüstere ich. Aber Cherie reagiert nicht, stattdessen legt sie den Kopf auf ihren Vorderläufen ab und schließt nun ebenfalls die Augen. Unschlüssig stehe ich herum – und beschließe dann, die Biege zu machen. Etwas Überflüssigeres als einen Jagdhund auf der Säuglingsstation kann ich mir gerade kaum vorstellen. Und dass mir Cherie jetzt noch anvertraut, was sie mir eben eigentlich sagen wollte, halte ich auch für eher unwahrscheinlich. Ich werfe noch einen letzten Blick in die Box, dann drehe ich mich um und trabe aus dem Raum. Hoffentlich kommt Daniel bald – ich will nicht mehr hier sein! Ich will zu meiner eigenen Familie!
Ein Schlüssel dreht sich im Schloss – endlich! Die Tür öffnet sich einen Spalt, eine Hand reicht durch und macht das Licht im Flur an. Aus einem Gefühl von Erleichterung springe ich ihn an und schlabbere seine Hände ab.
Daniel weicht einen Schritt zurück.
»Gott, Herkules, hast du mich erschreckt! Schön, dass du dich so freust, mich zu sehen – aber fall mich bitte nicht einfach an. Da kriege ich ja einen Herzkasper!«
Artig stelle ich mich vor ihn hin und wedele nur noch wie wild mit dem Schwanz. Daniel grinst mich an, und ich bin hin und her gerissen. Renne ich jetzt zur Tür, damit er mich nach oben in die Wohnung bringt? Oder renne ich zum Aufwachraum, damit er mal nach Cherie schaut? Ich hatte zwar den Eindruck, dass die Dame bestens allein klarkommt. Aber vielleicht bin ich auch nur eingeschnappt und will es selbst nicht wahrhaben. Mein weiches Herz siegt, ich trabe zur Tür des Aufwachraumes, und tatsächlich folgt mir Daniel. Ich laufe vor zur Box, in der Cherie und die Kleinen immer noch genauso wie eben liegen, und setze mich daneben. Daniel stellt sich zu mir. Erst scheint er gar nicht zu bemerken, welche Sensation sich hier in der letzten Stunde ereignet hat, doch dann beugt er sich über die Kiste und fängt an zu lachen. Was, bitte, ist denn daran komisch?
»Oh Mann, Herkules – jetzt ist hier auch noch Welpenalarm! Unglaublich! Das sieht ja toll aus!«
Er langt in die Box und streichelt Cherie über den Rücken. Die reagiert allerdings überhaupt nicht auf die Berührung. Gut so! Alles andere hätte ich persönlich genommen – mich nimmt sie schließlich auch nicht wahr.
»Na, Süße, hast du das ganz alleine geschafft? Ganz ohne Doktor Wagner? Aber den müssen wir jetzt unbedingt holen!« Er dreht sich zu mir. »Ich würde sagen, du bleibst hier, Herkules, und ich hole Marc. Einverstanden?«
NEIN! Nicht einverstanden! Ich will hier nicht ständig als Begleithund missbraucht werden! Ich habe auch noch eigene Interessen, und ein solches lautet: Ab in die Wohnung, Fresschen bekommen und endlich meine Ruhe! Aber leider kann
Daniel im Moment so gar keine Gedanken lesen, er geht also wieder Richtung Praxistür und lässt mich einfach bei Cherie sitzen.
Der Geruch von Muttermilch hängt mittlerweile über dem ganzen Raum, die Welpen schmatzen sehr zufrieden, und der Erste scheint schon satt zu sein. Jedenfalls hängt er nicht mehr an einer Zitze, sondern hat sich zur Seite gerollt und macht wohl ein Nickerchen. Ich stecke meinen Kopf über den Rand der Box und will mir den Nachwuchs mal genauer ansehen. Bevor ich aber auch nur ansatzweise in die Nähe der Welpen komme, fährt Cherie blitzschnell zu mir herum und knurrt mich an.
»Schnauze weg von meinen Babys!«
»He, ich wollte doch nur mal gucken!« Die hat sie doch nicht mehr alle! Ich bin doch nicht irgendwer! Beleidigt trolle ich mich zur Tür. Das muss ich mir nicht bieten lassen. Nicht mal von Cherie. Ich habe schließlich auch meinen Stolz!
»Herkules, nun nimm das doch nicht so furchtbar persönlich! Das war reiner Mutterinstinkt. Selbst so ein alter Kater wie ich weiß das.«
Beck versucht, mich zu trösten, der alte Freund. Leider ohne Erfolg. Trübsal könnte nach wie vor mein zweiter Vorname sein. Ich habe Daniel heute in die Werkstatt begleitet. Er will nachschauen, ob so weit wieder alles in Ordnung ist, und hat sich gleichzeitig als Hundesitter für mich angeboten. Aus irgendeinem Grunde scheine ich nun nicht mehr zur Familie zu gehören, jedenfalls waren sich alle Zweibeiner einig, dass man sich »als Familie« besser aneinander gewöhnen könne, wenn ich nicht
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