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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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erschreckt und selbst auf Abstand wie erdrückt, begann mit den Händen zu zittern. Sein moralischer Mut stemmte sich aber wiederum gegen die nervöse Angst.
    »Die Zensuren, die die Schüler der jetzigen Seniorenklasse beim Abschluß der elften Klasse von mir erhalten haben oder die ich als Klassenlehrer bestätigt habe, bestanden alle zu Recht. Sie sind im Durchschnitt nicht gut, aber ausreichend.«
    »Ah«, entgegnete Wyman, »aber meine Nachprüfung hat ergeben, daß das Pensum der elften Klasse überhaupt nicht sitzt. Das Ihnen zur Kenntnis, Cargill.«
    »Vielleicht verschrecken Sie die Schüler, Mister Wyman«, verteidigte Cargill sich und die Jugendlichen. »Die Jugendlichen werden scheu und trauen sich nicht mehr zu sagen, was sie wissen.«
    »Eine wundervolle Erklärung, Cargill, wahrhaft wundervoll.«
    Snider mischte sich ein. »Ich bitte doch, bei dem uns gewohnten sachlichen Ton zu bleiben.«
    »Entschuldigen Sie«, parierte Wyman, »aber das Argument von Mister Cargill erschien mir ganz und gar unsachlich. Was man weiß, kann man auch sagen.«
    »Sie müssen verstehen, daß Sie es mit indianischen Schülern zu tun haben, Wyman«, mahnte Ball.
    »Mit ›indianischen Schülern‹, Mister Ball, habe ich es nun seit mehr als 20 Jahren zu tun. Meine Erfahrung genügt. Dieses Volk will einfach nicht lernen.«
    »Dann geben Sie es doch endlich auf, Mister Wyman«, sagte Mahan vom Tischende her vernehmlich.
    Wyman starrte ihn an.
    »Waren Sie gefragt, Mahan?«
    »Nein, Mister Wyman, aber herausgefordert, denn ich bin ein Eingeborener, wie Sie wissen und sehen.«
    »Sie sind an unserem Internat ja auch der schlechteste Schüler gewesen!«
    Es entstand eine leise Unruhe rings um den Tisch. Snider griff aber nicht schon wieder ein, da er damit rechnete, daß Mahan nicht antworten würde und man über die unangebrachte und unzutreffende Privatbemerkung Wymans stillschweigend hinweggehen könne. Er hatte sich geirrt.
    »Ihr schlechtester Schüler und der beste im Baccalaureat, Mister Wyman«, sagte Mahan ruhig, aber akzentuiert. »Mein Zeugnis und die Auszeichnungsurkunde liegen im Rektorat. Bei dem niedrigen Unterrichtsniveau, das uns geboten wurde, will die Auszeichnung sachlich allerdings nicht viel sagen, und ich brauchte daher auch nicht zwei, sondern drei Jahre College, um aufzuholen.«
    »Das letzte ist kein Wunder. Sie haben meinen Unterricht immer unglaublich aufgehalten, weil Sie nicht Englisch können.«
    Die Zuhörer vermochten sich eines Lächelns nicht zu erwehren.
    »Ich kann nicht Englisch sprechen?« fragte Mahan so leise und so sanft, daß der Spott daraus schrillte. »Das ist aber wirklich sehr lange her.«
    Wyman sah zu spät ein, daß er auf einen Holzweg geraten war, und versuchte umzukehren.
    »Unglaublich haben Sie meinen Unterricht aufgehalten.«
    »Und Sie, Mister Wyman, haben mich und andere Schüler in unglaublicher Weise mißhandelt.«
    Es entstand verstärkte Unruhe.
    »Bestraft, wollen Sie sagen, Mahan.«
    »Mit dem großen Stock zu prügeln war noch nach Belieben erlaubt, als ich in jener Schule interniert war, und Sie mögen solches Schlagen als Strafe bezeichnen, Mister Wyman. Aber die Schülermißhandlungen gingen noch weit darüber hinaus und entsprachen schon damals nicht mehr der allgemeinen Schulkonvention. Es ist nicht alles verjährt, was in der abgelegenen Boarding School geschah, was Sie und Ihre Kollegen als militärischen Gehorsamsdrill bezeichneten und wobei Sie Ihrer Brutalität gegenüber den Indianerkindern, die Ihnen ausgeliefert blieben, freien Lauf ließen.«
    Wyman wurde rot wie ein Puter und schlug auf den Tisch. »Mahan, Sie haben sich nicht im geringsten geändert!«
    »Nein, in der Tat nicht. Ebensowenig wie Sie, Mister Wyman. Sie haben eine grausame Einstellung gegen Indianerkinder. Es gibt auch psychische Grausamkeit, die von unseren Kindern mit Verstummen beantwortet wird.«
    »Sie sprechen reichlich militant, Mister Mahan. Wo haben Sie das gelernt? Gehören Sie zu Red Power? Übernehmen Sie doch die Seniorenklasse und überlassen Sie mir die Prüfungskommission.«
    »Wenn Mister Snider die Kommission leitet und Mister Ball und Mister Cargill auch teilnehmen, können Sie gern dabeisein, Mister Wyman.«
    Rektor Snider hatte sich aus seinem anfänglichen Irrtum und seiner Verblüffung aufgerafft und klopfte auf den Tisch.
    »Meine Herren, das geht jetzt zu weit. Haben Sie etwa die Vorbildung für einen Unterricht in Literatur für die Seniorenklasse,

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