Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
die Teilnehmer der Lehrerkonferenz sich schon erhoben und ihre Stühle wieder an den Tisch rückten, während Warrior und Mahan vom Tischende weg der Tür zugingen und sich dabei mit der jungen Schwarzamerikanerin zu einem Gespräch verabredeten, sprach Wyman, dessen tönende Stimme etwa an die des alten Mac Lean erinnerte, Mahan an mehreren anderen Lehrern vorbei an.
»Hallo, Mahan, jetzt haben Sie Julia Bedford in Ihrem Unterricht! Was hatten Sie denn mit dem Mädchen besprochen – so ganz allein?«
Die Lehrer, die noch zwischen Mahan und Wyman gestanden hatten, traten zur Seite, ja, man konnte eher sagen, sie fuhren auseinander, als ob sie eine Kampfbahn rechtzeitig räumen wollten. Nebelhafte Phantasiegebilde einer unerlaubten Beziehung zwischen Lehrer und Schülerin schwirrten sofort im Raum.
» Wollen Sie mir meine Frage beantworten, Mahan?«
»Nein, Mister Wyman. Sie sind weder mein Erzieher noch mein Lehrer; noch mein Vormund, auch nicht mein Vorgesetzter.«
»Über das Gespräch zu zweien wollen Sie vor uns also nicht sprechen, Mahan?«
Mahan hielt an sich.
»Lesen Sie Ihre Bibel, Wyman, dort steht Gottes Gebot ›Du sollst keine Lügen reden wider deinen Nächsten‹! Falls Ihr sehr individuelles Christentum Ihnen erlaubt, Indianer als Ihre Nächsten anzusehen. Wir sind aber nicht nur mit Ihnen aus dem Paradies vertriebene Verdammte, sondern ewig Verlorene, wie ich einmal von Ihnen gehört habe. Falls das noch gilt, müßte ich anders reden und sagen: Stellen Sie bitte den Motor Ihrer Dreckschleuder ab.«
Mahan wandte sich Snider und Ball zu. »Da es darum ging und geht, zwei Menschenleben zu retten, so tat und tue ich, was rechtens ist. Mein dienstvorgesetzter Rektor wird durch den Chef unseres Hospitals informiert. Ich habe gesprochen.«
Wyman stand Mahan im Weg, als dieser zur Tür gehen wollte, mit der offensichtlichen Absicht, Mahan warten zu lassen.
»Gehen Sie bitte, oder gehen Sie beiseite, Wyman.«
Als Wyman nicht gehen wollte, fügte Mahan hinzu: »Vielleicht lernen Sie noch einmal das Beginner-Pensum der Umgangsregeln mit Menschen. Oder rechnen Sie die Indianer nicht einmal dazu?«
»Meine Herren, ich bitte Sie«, sagte Snider am Rande dienstlicher Verzweiflung über die Explosion inmitten seiner gesamten Lehrerschaft.
Wyman überlegte einen Moment, dann gab er den Weg frei.
Mahan verließ mit Ron Warrior zusammen den Raum.
Während die Lehrer und Erzieher sich in verwirrter und erschütterter Stimmung zu ihren Wagen und Häusern begaben, wandte sich Mahan noch unauffällig an Ball. »Können Sie mir eine Vertretung für die Sportaufsicht im Internat verschaffen? Ich muß sofort zu Eivie und zu meiner Mutter.«
»Arrangiere ich. Viel Glück – bei Eivie.«
Mahan begann seine Fahrt in maßvollem Tempo, bis er allen Blicken entzogen war. Dann gab er Gas und ging auf der leeren, glatten Straße bis zur Höchstgeschwindigkeit seines Wagens. Als er das Indianerhospital erreicht hatte, das weithin sichtbar auf einem Hügel bei der Agentursiedlung gelegen war, wurde ihm mitgeteilt, daß der Chefarzt seinen Tagesdienst bereits beendet habe. Vielleicht könne ihm Schwester Margot Crazy Eagle behilflich sein.
Schwester Margot hatte eine ruhige Stimme, große Augen mit einem beruhigenden Sammetglanz, der geeignet war, Erregung abklingen zu lassen. Sie riet Mahan, Eivie in seinem Haus aufzusuchen.
Hugh hatte den Arzt bereits persönlich kennengelernt, wenn auch nur flüchtig. Er folgte daher Schwester Margots Rat ohne Bedenken und ging hinüber zu der Dienstwohnung im geräumigen Einfamilienhaus. Auf sein Klingeln wurde von der Hausangestellten geöffnet, und als Hugh sein Anliegen vortrug, dabei auch den Namen Margot Crazy Eagle erwähnte, fragte die Haushalthilfe nach.
Mahan wurde eingelassen.
Eivie kam ihm im Eß- und Wohnzimmer entgegen. Er war ein freundlicher Herr mit rundem Gesicht, kleiner Nase, schütterem grauem Haar und einem Zug von Menschlichkeit und Enttäuschung, der ihn sympathisch machte.
»Wie geht es Ihren Schützlingen?« fragte er sofort.
»Ich weiß es nicht, Doc. Gerald Bedford hatte am Sonnabend noch einen Herzkrampf. Am Sonntagmorgen schlief er, und das Kind lebte – eben noch. Ich mußte zum Schuldienst. Das ist nun vier Tage her. Doc, darf ich Sie zu den beiden hinfahren? Es ist eine Zumutung – ich weiß. Aber man wird mir voraussichtlich Vorwürfe machen, daß ich die beiden Bedford-Waisen überhaupt aufgenommen habe.«
»Das heißt, ich soll Sie
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