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Welt im Fels

Welt im Fels

Titel: Welt im Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Harrison
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kommen, an dem dies alles endet, der festgesetzte Tag, an dem wir alle aus dem Fels befreit werden. Denn, sieh hier«, sie hielt ihm ihren Deus hin, »sieh die Anzahl der Tage seit der Schöpfung! Sieh, wie sie verstreichen und die Zahl immer größer wird, denn wir erfüllen unsere Pflicht, die uns der Große Planer auftrug, der unser aller Vater ist.«
    »186 173 Tage seit dem Beginn der Welt«, sagte Chimal lachend, nach einem Blick auf die angezeigte Zahl. »Und du hast die ganze Zeit selbst mitgezählt?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich bin noch keine siebzig Jahre alt. Dieser Deus ist ein ehrwürdiges Erbe, das vor mir Hunderte von Wachmännern trugen, und es wurde mir anvertraut, als ich als Wachmann vereidigt …«
    »Wie alt bist du?« fragte er, weil er dachte, er hätte sich verhört. »Siebzehn?«
    »Achtundsechzig«, sagte sie, und in ihrem Lächeln war eine Spur Boshaftigkeit. »Wir sind nicht kurzlebig wie die niederen Wesen, wie der Truthahn, die Schlange – oder ihr.«
    Was sollte er ihr darauf antworten? Wachmann Steel sah aus, als sei sie kaum zwanzig. Konnte sie so alt sein, wie sie behauptete?
    In der Stille hörte er plötzlich ein leises, fernes Singen. Der Ton wurde lauter, und das Mädchen horchte auf. Sie drückte sich von der Wand ab und rannte durch den Tunnel davon, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Chimal hätte sie leicht einholen können, aber er zögerte. Er wußte ebenfalls, was das Geräusch bedeutete. Ein weiterer Wagen rollte heran.
    Sollte er das Mädchen einfangen? Dabei konnte er selbst leicht gefangen werden. Das Tötungsgerät holen – aber welchen Sinn hätte es, sie zu töten? Er ging die verschiedenen Möglichkeiten durch und verwarf eine nach der anderen. Der Wagen würde mit vielen Männern besetzt sein, die Tötungsgeräte trugen. Er mußte fliehen, das würde das klügste sein. Sie würden anhalten, um das Mädchen aufzunehmen, und das würde ihm einen Vorsprung verschaffen. Er sprang in den Wagen und schob den Hebel bis zum Anschlag nach vorn. Die Räder kreischten, Funken stoben, und er schoß davon wie ein Pfeil. Als Chimal weit vor sich im Tunnel eine Leiter sah, zog er den Bremshebel. Der Wagen kam direkt neben ihr zum Stillstand.
    Es war ein Ausgang aus dem Tunnel, mit Leitersprossen hinauf zu einer Öffnung. Aber wohin führte sie? Zweifellos auf den Himmel hinaus, neben den Sonnengleisen. Dies war die zweite dieser Luken, und höchstwahrscheinlich gab es noch mehr. Er stieß den Fahrhebel wieder nach vorn. Bis er an den nächsten Schacht kam, konnte er sich überlegen, was er tun sollte.
    Lebensmittel und Wasser mußte er auf jeden Fall mitnehmen. Mit einer Hand öffnete er sein Gewand über dem Gürtel und stopfte so viele von den Rationspäckchen hinein, wie er unterbringen konnte. Dann trank er den offenen Wasserbehälter leer und warf ihn weg. Den vollen würde er mitnehmen. Das einzige Problem war der Wagen. Wenn er unter dem Schacht stehenbliebe, würden sie wissen, daß er dort ausgestiegen wäre, und würden ihm folgen. War es möglich, den Wagen allein weiterfahren zu lassen? Er müßte doch fahren, solange der Hebel nach vorn gedrückt war. Er sah sich im Wagen um. Da war keine Schnur, sonst hätte er ihn vorn festgebunden. Vielleicht etwas dagegenstemmen? Er zog an dem Sitz neben ihm, und er bewegte sich ein wenig. Er stand vorsichtig auf und drehte sich um, ohne dabei den Hebel loszulassen. Mit dem Rücken gegen das Brett mit den Hebeln gestemmt, trat er mit dem Fuß gegen die Sitzlehne, bis etwas brach und der Sitz hintenüber kippte. Ja, das müßte klappen, wenn er die Lehne fest zwischen Sitz und Hebel klemmte. Als er wieder nach vorn blickte, sah er weit voraus die nächste Leiter.
    Chimal war aus dem Wagen, bevor er ganz stand. Er legte den Wasserbehälter und das Tötungsgerät neben die Leiter und packte die abgebrochene Lehne. Der andere Wagen war noch nicht in Sicht, aber er hörte sein Singen in der Ferne. Er stützte das untere Ende der abgebrochenen Lehne gegen den Sitz und stieß die Oberkante gegen den Fahrhebel.
    Der Wagen heulte auf und schoß davon. Chimal rannte zur Leiter, raffte seine Sachen zusammen, drückte mit einer Hand Wasserbehälter und Tötungsgerät an sich, sprang auf die Leiter und kletterte wie eine Katze in den Schacht hinein.
    Er hatte seine Füße noch nicht ganz aus dem Tunnel, als der Wagen mit seinen Verfolgern unter ihm vorbeischoß. Er wartete mit angehaltenem Atem und horchte, ob sie anhielten.

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