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Welt im Fels

Welt im Fels

Titel: Welt im Fels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Harrison
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rannte. Sie kletterte schnell hinunter, schneller als er ihr zugetraut hätte. Als er hinter ihr die Leiter bestieg, kam sie unten im Tunnel an und sprang von der Leiter. Er stieg einige Sprossen tiefer, dann ließ er sich fallen. Er landete hart auf dem Felsboden. Ein Feuerstrahl schoß über seinen Kopf. Die Steel hatte das Tötungsgerät im Anschlag und wartete auf sein Auftauchen, um ihn zu vernichten. Jetzt starrte sie auf die geschwärzten Sprossen und die Wand, und bevor sie von neuem zielen konnte, war er bei ihr und riß ihr die Waffe aus den Händen.
    »Zu spät dafür«, sagte er, warf das Ding in den Wagen und riß sie herum und drückte sie an die Wand. Er packte sie am Kinn und schwenkte ihren Kopf hin und her. »Zu spät, mich zu töten, weil ich jetzt die Wahrheit kenne. Ich habe es nicht mehr nötig, dir Fragen zu stellen, jetzt kann ich dir Dinge erzählen.« Er lachte und war selbst überrascht, als er den schrillen Klang seiner Stimme hörte.
    »Lügen«, sagte er. »Mein Volk ist über alles belogen worden. Es ist eine Lüge, daß wir in einem Tal auf einem ›Erde‹ genannten Planeten leben, der um die Sonne kreist – die ein brennender Gasball ist. Wir glaubten es, all diesen Unsinn, schwebende Planeten, brennendes Gas in der Luft. Der Feuerblitz, den Popoca sah und den ich sah, als die Sonne unterging, waren Reflexe auf den Schienen, das ist alles. Unser Tal ist die Welt, sonst gibt es nichts. Wir leben in einer riesigen Höhle im Felsen, heimlich von deinem Volk beobachtet. Wer seid ihr – Diener oder Herren? Oder beides? Ihr dient uns, eure Wartungsleute passen auf unsere Sonne auf und sorgen dafür, daß sie immer scheint, wie es sich gehört. Und sie müssen auch den Regen kommen lassen. Und der Fluß – der endet in Wirklichkeit im Sumpf. Was macht ihr dann mit dem Wasser? Pumpt ihr es etwa durch eine Leitung wieder zurück zum Wasserfall?«
    »Ja«, sagte sie. Sie hielt ihren Deus in beiden Händen und hatte ihr Haupt erhoben. »Genau das tun wir. Wir bewachen und beschützen euch und halten Unheil von euch fern, bei Tag und Nacht, durch alle Jahreszeiten. Denn wir sind die Beobachter. Wir wollen nichts für uns selbst, wir wollen nur dienen.«
    Es lag keine Spur von Humor in seinem Lachen. »Ihr dient schlecht! Warum laßt ihr den Fluß nicht immer ausreichend Wasser führen, damit wir stets genügend davon haben, oder bringt den Regen, wenn wir ihn brauchen? Wir opfern und beten um Regen und nichts geschieht. Hören die Götter nicht – oder hört ihr nicht?« In einer plötzlichen Erkenntnis trat er einen Schritt zurück. »Oder gibt es vielleicht überhaupt keine Götter? Coatlicue steht still in einer Höhlennische, und ihr bringt den Regen, wenn es euch paßt.« Ihm kam plötzlich die schmerzliche Erkenntnis, und er sagte: »Sogar darin habt ihr uns belogen. Es gibt keine Götter!«
    »Es gibt eure Götter nicht – aber es gibt einen Gott, den Gott, den Großen Planer. Er ist derjenige, der all dies erschaffen hat, der es entworfen und gebaut und ihm dann Leben eingehaucht hat, daß es seinen Lauf nehmen konnte. Die Sonne stieg zum erstenmal aus ihrem Tunnel und rollte zu ihrer ersten Fahrt über den Himmel. Das Wasser schoß zum erstenmal über den Wasserfall, füllte den Teich und benetzte das wartende Flußbett. Er pflanzte die Bäume und erschuf die Tiere und dann, als Er damit fertig war, bevölkerte Er das Tal mit den Azteken und setzte die Beobachter ein, auf daß sie über sie wachten. Er war stark und unfehlbar, und wir sind stark und unfehlbar als Seine Ebenbilder, und wir verehren Ihn und erfüllen Seinen Auftrag. Wir sind Seine Diener, und ihr seid Seine Kinder, und wir wachen über euch, wie Er es bestimmt hat.«
    Chimal war nicht im geringsten beeindruckt. Der Singsang ihrer Worte und das Leuchten in ihren Augen erinnerte ihn an die Priester und ihre Gebete. Trotzdem nickte er zustimmend, denn sie hatte das Wissen, das er brauchte.
    »Es ist also alles umgekehrt«, sagte er, »und uns hat man nur Lügen erzählt. Es gibt keinen riesigen Gasball, der Sonne heißt, und es gibt auch keine Erde. Die Sterne sind nichts als winzige Lichtflecken und keine fernen Sonnen. Das Universum ist Fels, Fels, massiver Fels, und wir leben auf ewig in einer kleinen Höhle in dessen Mitte.« Er beugte ich nach vorn, als müßte er das Gewicht dieser Unendlichkeit aus Fels auf seine Schultern nehmen.
    »Nein, nicht auf ewig«, sagte sie und faltete die Hände. »Es wird ein Tag

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