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WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
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Zwar war die Einsamkeit bisweilen bedrückend, doch sie hatte Strategien entwickelt, damit zu leben, ihr blieb auch kaum eine Wahl.
    Das Zimmer sah aus, als habe Wilka es gerade erst verlassen. Ewen beschloss, es so zu lassen. Als sie die Decke über dem Bett glatt streichen wollte, fiel ihr Blick auf ein gefaltetes Papier, das auf einem kleinen Tischchen lag. Ihr Name stand darauf. Fast ehrfurchtsvoll nahm sie es zur Hand und entfaltete es. Wilkas Abschiedsworte ließen ihr die Tränen in die Augen steigen. Sorgfältig faltete sie das Papier wieder zusammen. Sie würde es stets in Ehren halten.
     

     

BERÜHRUNG MIT FREMDEN GEDANKEN
     

    Jahr 3635 Mond 12 Tag 30
    Hort der Bewahrerin, Martul
    Es war die Nacht, in der das alte Jahr dem neuen Platz machte. In Martul war dies stets ein Tag von besonderer Bedeutung. Die Menschen feierten die Erfolge des vergangenen Jahres und baten die Götter um den Segen für das neue.
    Ewen hatte niemanden, mit dem sie hätte feiern können. Es zog sie in die Höhle der Bücher. Seit Wilkas Tod war sie nicht mehr dort gewesen. Eine Weile schritt sie die Wände entlang und zog wahllos Bücher heraus, betrachtete sie und stellte sie wieder zurück. Was sie zu finden hoffte, wusste sie selbst nicht. Nach einer Weile wurde sie müde. Sie überlegte, ins Haus zurückzukehren, entschied sich aber dagegen und legte sich in die Mitte der Höhle.
    Sie musste wohl eingeschlafen sein, denn es suchte sie ein seltsamer Traum heim. Sie fand sich in einer Umgebung wieder, die ihr in keiner Weise bekannt vorkam. Die Pflanzen, die sie umgaben, waren so ganz anders, als die, die sie kannte. Ihr Blick schweifte ziellos umher, doch nichts verriet ihr, wo sie sich befand. Als der Blick auf den Boden fiel, erkannte sie, dass es nicht ihre Augen waren, die dies alles betrachteten. Zu weit war der Abstand zum Boden. Der Mensch, dessen Sinneseindrücke sie wahrnahm, musste ein gutes Stück größer sein als sie. Wer immer es war, er schien nichts Besseres zu tun zu haben, als dazustehen und die Umgebung zu betrachten. Dies ließ ihr Zeit, nachzudenken. Was war, wenn dies kein Traum war? Vielleicht war sie, ohne es zu wollen, in den Geist einer anderen Person eingedrungen. Wie war diese Verbindung zustande gekommen? Schon einmal hatte sie sich unfreiwillig in den Gedanken eines anderen Menschen wiedergefunden, damals, als sie Zeugin von Wilkas Tod geworden war. Doch ihre jetzigen Eindrücke unterschieden sich von diesen, sie vermochte weder Gedanken noch Gefühle wahrzunehmen. War es doch nur ein Traum? Aber woher sollten die Bilder dieses Traumes stammen? Immer wenn sie träumte, bestand eine Verbindung zu Dingen, die sie selbst erlebt hatte.
    Während sie grübelte, kam Bewegung in die Bilder. Statt Pflanzen sah sie nun ein unfassbar großes Gebäude und sie bewegte sich darauf zu. Noch nie hatte sie etwas Vergleichbares gesehen. Akustische Eindrücke gesellten sich zu den optischen. Sie vernahm eine Vielzahl von Stimmen, vermochte jedoch nicht, etwas zu verstehen. Nun war sie im Inneren des Gebäudes. Der Gang, in dem sie sich befand, war unglaublich hoch und scheinbar unendlich lang. Mehrere Türen säumten die Wände. Eine davon wurde nun geöffnet und sie betrat einen Raum, der wohl eine Schreibstube war. Die Ausmaße aber waren gewaltig. Sie war sicher, dass ihr ganzes Haus darin Platz gefunden hätte. Schon der Tisch, der in der Nähe der Fenster stand, war so groß, dass er ihre gesamte Schreibstube ausgefüllt hätte. Ihr blieb jedoch keine Zeit, sich weiter umzusehen, denn die Person, deren Eindrücke sie teilte, ging durch eine weitere Tür. In diesem Raum gab es nicht viel mehr als ein paar Truhen, zwei Sessel und einen Spiegel. Endlich konnte sie sehen, in wessen Geist sie, ohne es zu wollen, eingedrungen war. Es war ein Junge, der sich dort selbst im Spiegel betrachtete. Sein Haar war blond und seine Haut dunkler, als Ewen es von ihren Landsleuten gewohnt war. Das Gesicht hatte noch unverkennbar kindliche Züge, doch sein Körper zeigte Anzeichen dafür, dass er einmal zu einem stattlichen Mann heranwachsen würde. Er drehte sich vor dem Spiegel hin und her, die braunen Augen stets auf das eigene Abbild gerichtet. Was für ein eitler Mensch. Und diese Kleidung, dieses kräftige Blau und das satte Grün, wer kam auf die Idee, so etwas zu tragen? Obgleich sie noch keinerlei Eindrücke von seinem Inneren gewonnen hatte, war der Junge ihr wenig sympathisch.
    Dennoch war sie neugierig, was es mit

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