WELTEN-NEBEL
weiterbringen würde. Er hatte inzwischen genug von dem fremden Volk gesehen, um zu erkennen, dass ihr Wissensstand und ihre technischen Kenntnisse um einiges hinter denen der Elunger zurückblieben. Würden sie hier die Mittel finden, die sie wieder nach Hause bringen konnten? Gab es Schiffe? Waren diese tauglich, das Meer zu befahren?
Er scheute sich, diese Zweifel mit Süylin zu teilen. Doch als sie ihn frei heraus fragte, warum er kein glücklicheres Gesicht machte, konnte er sie nicht belügen. Zu seinem Erstaunen war sie trotz seiner Einwände ungebrochen optimistisch. „Fürs Erste reicht es mir, wenn ich endlich mit diesem Menschen sprechen kann, mehr über sie und dieses Land erfahre. Ich weiß, dass die Rückkehr nach Hause schwierig wird, doch auch wenn sie nicht gelingt, so könnte ich hier glücklich sein. Du etwa nicht?“
Seine Antwort bestand in einem Kuss. Sie war wirklich eine bewundernswerte Frau, so stark. Obwohl es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre, ihr Mut zu machen, hatte sie ihn aufgemuntert. Er schloss sie fest in seine Arme, genoss einfach ihre Nähe, atmete ihren Duft. In diesem Moment wusste er, seine Heimat würde überall dort sein, wo sie war.
Mond 6 Jahr 3688
Frühsommer
Siedlung des Bergvolks, Atress
Bevan mühte sich redlich, doch der Sprachunterricht für Süylin und Rihnall gestaltete sich schwieriger als gedacht. Die Worte für Gegenstände und Tätigkeiten waren noch relativ einfach zu vermitteln gewesen, doch sobald es um abstrakte Begriffe ging, stieß sie häufig an ihre Grenzen. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis ein richtiges Gespräch möglich wäre. Dabei hätte sie sich zu gerne mit ihnen unterhalten, sie hatte so viele Fragen, angefangen von der Herkunft über ihren Weg nach Atress bis zum Grund dafür. Auch wollte sie ihnen viel über sich und ihr Volk erzählen.
Aber auch andere Dinge mussten gesagt werden. Nach Bevans Einschätzung kannte Süylin noch immer nicht den Grund für ihre inzwischen abgeklungene Übelkeit. Dabei zeigten sich schon körperliche Veränderungen. Wie Süylin die Nachricht wohl aufnehmen würde?
Wie jeden Abend traf sie sich mit Bevan. Trotz der noch immer bestehenden Sprachbarriere war die junge Frau ihr inzwischen eine gute Freundin geworden. Zumeist nahm Rihnall an ihren Treffen teil, doch heute war er mit den Männern der Siedlung auf die Jagd gegangen. Auch wenn seine Sprachkenntnisse noch ebenso dürftig waren wie die ihren, war es ihm irgendwie gelungen, darum zu bitten. Insgeheim waren sie beide mehr als erstaunt gewesen, dass man seiner Bitte entsprochen hatte. Offenbar waren die Berührungsängste der Menschen und ihre Vorbehalte kleiner geworden. Süylin hoffte, die Jagd gäbe Rihnall die Möglichkeit, neue Freundschaften zu knüpfen. Sie war so gespannt, was Rihnall bei seiner Rückkehr zu berichten hatte, dass sie sich kaum auf Bevan konzentrieren konnte. Daher entging ihr zunächst die Aufregung der jungen Frau. Erst nach einer Weile bemerkte sie, dass Bevan ihr etwas mitteilen wollte. Und auch als sie ihr endlich die Aufmerksamkeit schenkte, verstand sie nicht gleich, was Bevan ihr sagen wollte. Immer wieder glaubte sie Worte wie Baby und Bauch zu hören und das Ganze sollte etwas mit ihr zu tun haben. Doch was sollte das bedeuten? Glaubte Bevan von ihr, sie sei schwanger? Aber das hätte sie doch gemerkt, oder? Sie wusste nicht, was sie ihrer Freundin erwidern sollte, daher zuckte sie nur mit den Schultern. Irgendwann gab Bevan es auf und sie wandten sich wieder ihrem Sprachunterricht zu.
Als Bevan ging und Süylin allein zurückblieb, kam sie ins Grübeln. Konnte es vielleicht doch möglich sein? War sie möglicherweise schwanger? Immerhin war sie nun schon mehr vier Monde mit Rihnall verheiratet. Und ja, ihr Bauch wies eine kleine Rundung auf. Vielleicht hatte Bevan recht. Je länger sie darüber nachdachte, umso sicher wurde sie sich. Sie erwartete wirklich ein Kind. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sollte sie sich freuen oder eher Sorgen machen? Und wie würde Rihnall reagieren? Er sorgte sich jetzt schon viel zu sehr um sie, wenn er sich nun auch noch um das ungeborene Kind Sorgen machte, wäre das zu viel für ihn. Aber sie konnte es ihm auch nicht verschweigen. Sobald er zurück wäre, würde sie es ihm sagen. Unruhig lief sie auf und ab und wartete auf seine Rückkehr.
Sie hatten eine gute Jagd gehabt und die reiche Beute sorgte für eine gelöste Stimmung unter den
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