WELTEN-NEBEL
Männern. Für eine Weile schienen sie seine Andersartigkeit vollkommen zu vergessen. Während sie ihren Erfolg feierten, war er mittendrin. Vielleicht konnte es irgendwann für immer so sein und Süylin und er ein Teil der Gemeinschaft werden. Er war guten Mutes, als er am Abend zu seiner Frau zurückkehrte.
Sie hatte ihn wohl schon erwartet. Kaum hatte er die Hütte betreten, umarmte sie ihn. Ob sie sich Sorgen um ihn gemacht hatte? Oder war etwas anderes geschehen? Gerne hätte er ihr von seinem Tag erzählt, doch er spürte, er musste ihr den Vorrang geben. Als sie sich von ihm löste, griff er nach ihren Händen. Sie begann zu sprechen und was sie ihm eröffnete, war einfach unglaublich. „Ist das wirklich wahr? Bist du dir sicher, dass wir ein Kind erwarten?“
Ihr „Ja“ kam etwas verhalten. Er selbst aber konnte sein Glück kaum im Zaum halten. Überglücklich wirbelte er sie herum, küsste sie wieder und wieder. Er spürte pures Glück. „Ich liebe dich, ich liebe dich so sehr!“
Sein Glück wirkte ansteckend. Jetzt, da er so überschwänglich auf die Nachricht reagiert hatte, konnte auch sie sich endlich freuen.
Mond 7 Jahr 3688
Sommer
Siedlung des Bergvolks, Atress
Immer wieder stockten die Gespräche, doch immerhin waren sie möglich. Und in dem Maße, wie seine Sprachkenntnisse zunahmen, tat dies auch sein Wissen über dieses Land. Inzwischen wusste er, dass sie in Atress waren. Auch über die unterschiedlichen Stämme des Landes wusste er schon Bescheid. Er fand die Vorstellung, unter solch kriegerischen Menschen zu leben, beängstigend. Auch war er geschockt gewesen, als er Bevans Geschichte erfahren hatte. Die junge Frau war eine Geisel, ein Unterpfand für den Frieden. Je mehr er über diese Menschen erfuhr, umso klarer wurde ihm, dass sie hier nicht bleiben konnten. Dies war kein Ort für seine Frau und erst recht nicht für ihr Kind. Sie mussten einen Weg nach Hause finden. Doch dafür würden sie die Hilfe der Atresser benötigen. Allerdings wusste er noch nicht, mit welchen Mitteln er diese erlangen sollte. Bis auf Bevan wusste noch niemand, dass er und Süylin mitnichten Boten der Götter waren, sondern nur Menschen aus einem anderen Land.
Ihre Freundin Bevan hatte ihnen geraten, dieses Geheimnis für sich zu behalten, und auch wenn ihm Lügen zuwider waren, musste er ihr Recht geben, denn der Irrglaube der Atresser gab ihnen etwas Sicherheit. Der Götter- und Geisterglaube war stark in diesem Volk, niemals täten sie etwas, was die Götter erzürnte. Doch wie lange würde die unbeabsichtigte Täuschung noch bestehen, wenn Süylins Schwangerschaft erst allzu offensichtlich wäre? Daher musste er einen Weg finden, von hier fortzukommen. Leider hatte er noch keinen brauchbaren Plan ersinnen können. Bevans Ausführungen hatte er entnommen, dass selbst der Küstenstamm nur über kleine Boote verfügte, nichts, womit man das Meer überqueren konnte. Ihre einzige Chance bestand darin, herauszufinden, was sie hergebracht hatte.
Allerdings tat er sich schwer damit, denn es gab keine zufriedenstellende Erklärung für die Vorgänge, die sie nach Atress geführt hatten. Süylin war der Ansicht, dass es göttliches Wirken gewesen war, doch er konnte sich nicht mit diesem Gedanken anfreunden. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es höhere Wesen gab, die Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen konnten. Süylin stand der Idee wesentlich offener gegenüber, Bevans Ausführungen hatten ihr Übriges getan. Nun war seine Frau fest davon überzeugt, es gab höhere Mächte. Sie ging sogar noch einen Schritt weiter. Sie glaubte, die Götter hätten sie aus einem bestimmten Grund nach Atress gebracht. Seit sie zu diesem Schluss gekommen war, grübelte sie unermüdlich darüber, worin dieser wohl bestand. Bis jetzt aber hatte sie dazu nicht mehr ersonnen, als dass es ihnen bestimmt war, Atress zu entdecken und den Elunger von diesem anderen Land zu berichten. Daraus speiste sich ihre Hoffnung, die Götter würden ihnen einen Weg eröffnen, in ihre Heimat zurückzukehren. Rihnall hätte ihren Optimismus gerne geteilt, doch es gelang ihm nicht. So gut es ging, versuchte er, seine Zweifel vor ihr zu verbergen. Wenn ihr der Glaube an die Götter Kraft gab, wollte er diesen nicht zerstören. Eingedenk ihres Zustandes wollte er am liebsten jede Sorge und Anstrengung von ihr fernhalten.
Daher hätte er es auch lieber gesehen, wenn sie Bevan nicht täglich auf die Felder begleitet
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