WELTEN-NEBEL
möge sich keine Gedanken wegen ihrer mangelten Sprachkenntnisse machen, Rihnall und sie würden gerne übersetzen.
Gelkans Aufmerksamkeit galt nun Rihnall, den er skeptisch musterte. Bevan konnte sehen, wie unruhig Süylin deswegen wurde, was verständlich war, schließlich war Rihnall sicher nicht der Ehemann, den ihre Familie sich für sie gewünscht hätte. Nach einem kurzen Wortwechsel aber schüttelten die beiden Männer einander die Hände, ganz so, als seien sie seit Jahren gute Freunde. Sie hörte, wie Süylin erleichtert aufatmete.
Die Begrüßungen waren beendet und Gelkan rief einen Diener herbei. Er gab ihm wohl irgendeinen Auftrag, der der Bedienstete verbeugte sich und verschwand wieder.
Süylin und Rihnall begannen ein angeregtes Gespräch mit Gelkan, wurden aber kurz darauf unterbrochen. Die Tür öffnete sich und eine Frau mittleren Alters kam hereingestürmt. Die Art, wie sie Süylin sogleich umarmte, ließ keine Zweifel daran, dass es ihre Mutter war. Und auch wenn der Mann, der wenig später folgte, wesentlich ruhiger und weniger überschwänglich war in seiner Umarmung, so konnte es sich doch nur um Süylins Vater handeln. Damit war die Wiedervereinigung der Familie aber noch nicht abgeschlossen. Auch die drei jüngeren Schwestern ließen nicht lange auf sie warten und bald schon war der ganze Raum erfüllt von Gesprächen und Gelächter, Umarmungen und Freudentränen.
Sie fühlte sich etwas ausgeschlossen, vermochte sie doch, anders als Rihnall, nicht einmal zu verstehen, was gesprochen wurde. Nicht, dass es von Belang gewesen wäre, sicher ging es nur um das, was Süylin seit ihrer Flucht aus dem Palast erlebt hatte, Geschichten, die Bevan schon kannte. Und dennoch …
Plötzlich kam Gelkan auf sie zu und nahm ihre Hand.
Sie war so froh, ihre Familie wiederzusehen und erleichtert, dass man ihr ihre Flucht offenbar verziehen hatte. Selbst ihr Ehemann schien akzeptiert zu werden, trotz seiner Vergangenheit. Nachdem der erste Überschwang der Gefühle sich bei allen gelegt hatte, bezogen sie Rihnall sofort in ihre Gespräche mit ein.
In ihrer Aufregung hatte sie ganz vergessen, das Bevan kein Wort verstehen konnte, doch als sie ihr Versäumnis wieder gutmachen wollte, musste sie feststellen, dass sie ihre Freundin nirgends entdecken konnte. Ihr Bruder war ebenfalls verschwunden. Was ging hier vor sich?
Ihr blieb keine Zeit, dies zu ergründen. Ihre jüngste Schwester, sie war gerade einmal sieben, wollte unbedingt von ihr auf den Arm genommen werden. Die Kleine hatte sie wohl schrecklich vermisst.
Er hatte gesehen, wie einsam und allein sie dort stand, ausgeschlossen von dem Trubel um sie herum. War es nicht seine Pflicht, alles dafür zu tun, dass sich der Gast aus dem fernen Land bei ihnen wohlfühlte? Trotz der mangelnden Verständigungsgrundlage beschloss Gelkan, Bevan auf einen kleinen Palastrundgang zu entführen. Also nahm er kurz entschlossen ihre Hand und zog sie aus dem Raum. Wahrscheinlich würden die anderen ihre Abwesenheit nicht einmal bemerken.
Nun liefen sie durch die Gänge des Palastes, durchquerten zahlreiche Höfe. Immer wieder wies er sie auf Besonderheiten der Baukunst hin. Wie sich zeigte, beherrschte Bevan durchaus einige Worte und kurze Sätze seiner Sprache, und wenn ihnen die Worte fehlten, so verständigten sie sich mithilfe von Zeichen. Gerne hätte er mehr über diese fremde Frau erfahren, doch für ein richtiges Gespräch reichten ihre Sprachkenntnisse nicht aus.
Diese braunhäutige, schwarzhaarige Frau hatte ihn vom ersten Moment an in ihren Bann geschlagen. Er vermochte nicht zu sagen, woran dies lag, doch er wusste, dass es mehr war als ihre Fremdheit, die ihn anzog. Sie gab sich ihm gegenüber scheu, doch nicht auf diese aufgesetzte, kokette Art, wie er es sonst von Frauen gewohnt war. Vielmehr schien es ihm echte Zurückhaltung. Diese war jedoch offenbar in der für sie neuen Situation und nicht in ihrem Naturell begründet. Bisher hatte er von Süylin zwar nur eine Kurzfassung ihrer gemeinsamen Reise gehört, doch in Bevan steckte wohl mehr Stärke und Mut, als man auf den ersten Blick vermuten konnte. Schon der Umstand, dass sie aus eigener Entscheidung in ein ihr vollkommen fremdes Land gereist war, ließ dies erkennen.
Sie erreichten den Palastgarten. Er mochte diesen Ort, denn hier hatte er schon so manchen ungestörten Moment verbringen können. Die Hektik des Palastes, die herumlaufenden Diener, die Wachen, all dies gab es hier
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