WELTEN-NEBEL
zu verlassen, und damals war nicht sicher, ob es jemals gelingen würde, Schiffe zu bauen, die die Distanz zwischen Elung und Atress würden überbrücken können. Peerin dagegen würde mit dem nächsten Schiff zurückkehren können, wenn sie es sich anders überlegte.
Natürlich war dies für Peerin keine Option. Sie war fest entschlossen, sich in Atress ein neues Leben aufzubauen. Sie war sich sicher, beim Küstenstamm Aufnahme zu finden, schließlich stammte ihre Mutter von dort. Zwar hatte Peerin die für Elunger typische blaue Hautfarbe von ihrem Vater geerbt, doch da bereits seit mehr als fünfzehn Jahren Kontakt zwischen den Elungern und Atressern bestand, musste sie nicht befürchten, deswegen auf Ablehnung zu stoßen. Auch zeigte ihr muskulöser Körperbau deutlich, dass ebenfalls atressisches Blut durch ihre Adern floss. Ihre Mutter hatte sie die Sprache gelehrt, die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in ihr neues Leben waren gegeben. Mit diesem Umstand versuchte sie sich selbst immer wieder Mut zuzusprechen.
Dieser Mut war auch dringend notwendig, denn je länger sie darüber nachdachte, umso bewusster wurde ihr, wie wage ihre Vorstellung von einem Leben auf Atress war. Weder wusste sie, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollte – als Prinzessin hatte sie schließlich keinen Beruf erlernt –, noch ob sie den Atressern wirklich willkommen wäre. Sicher, sie konnte mit Wissen über Elung aufwarten, konnte ihre Kenntnisse als Forscherin, die sie in der Zusammenarbeit mit ihrer Tante Süylin erworben hatte, anbieten, doch wusste sie nicht, ob dies für die Atresser wirklich von Interesse wäre. Vielleicht wäre es am Einfachsten, sich einen Mann zu suchen, der für sie sorgen würde. Ihre Zukunft lag im Ungewissen, doch für eine Umkehr war es zu spät, sie hatte alle Brücken der Vergangenheit eingerissen.
Mond 5 Jahr 3724
Frühling
Siedlung an der Küste, Atress
Vor dem Eingang ihres Hauses sitzend, be obachtete Peerin, wie ihre Tochter mit den anderen Kindern der Siedlung Fangen spielte. Mit ihrer blauen Haut konnte Peerin sie stets gut in der Gruppe der sonst braunhäutigen Kinder ausmachen. Mit ihren fast sechs Jahren war Ihel sich ihrer Andersartigkeit durchaus bewusst, das hatte ihre Mutter schon bemerkt. Noch aber nahm sie keinen Anstoß daran, ebenso wenig wie ihre Spielkameraden. Irgendwann aber würde Peerin Ihel erklären müssen, warum sie nicht so aussah wie die Atresser. Insgeheim fürchtete sie diesen Tag, denn dann würde sie sich einer Vergangenheit stellen müssen, die sie stets zu vergessen suchte.
Als sie vor über sechs Jahren nach Atress gekommen war, war es nicht einfach für sie gewesen, sich einem Platz in der Gemeinschaft zu erkämpfen. Die Unterstützung ihrer Onkel, einer von ihnen war Anführer des Küstenstammes, war ausgeblieben, zu fremd war ihnen die Nichte aus der Ferne gewesen. Dass sie nun einen Platz im Leben gefunden hatte, war einzig ihrer eigenen Beharrlichkeit zu verdanken. Sie hatte sich nicht gescheut, einfache Arbeiten wie das Flicken der Fischernetze zu übernehmen, hatte stets tatkräftig mit angepackt. Erst als sie sich auf diese Weise bewiesen hatte, hatten die Menschen der Küstensiedlung auch zunehmend Interesse an ihrer Herkunft und ihrem Wissen über Elung und den Rest der Welt gezeigt. Bereitwillig hatte sie Auskunft gegeben und den Menschen viel Wissen vermitteln können. Zuvor hatte sich das einfache Volk kaum um die Vorgänge außerhalb seines Landes geschert, der Kontakt zu den Elungern hatte vorrangig über die Stammesführer der Atresser stattgefunden.
Auch wenn inzwischen mehr als fünfunddreißig Jahre vergangen waren, seit die vier Stämme der Atresser Frieden geschlossen und eine Zusammenarbeit vereinbart hatten, so spielte die Stammeszugehörigkeit noch immer eine große Rolle im Leben der Menschen. Die Stammesführer verfügten innerhalb ihrer Gebiete über großen Einfluss und sie waren es auch, die die Geschicke des Landes lenkten. Daher war es nicht verwunderlich, dass sie und ihre Familien diejenigen waren, an die sich die Abgesandten der Elunger bei ihren Forschungsreisen wandten. Vor Peerins Ankunft hatten sich die Menschen kaum für die Elunger interessiert, da sie darauf vertrauten, dass ihr Anführer den Kontakt in ihrem Interesse gestalten würde. Zumindest war das der Eindruck, den Peerin im Küstenstamm gewonnen hatte. Ob es sich bei den anderen Stämmen, dem Berg-, dem Wald- und dem Steppenstamm,
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