WELTEN-NEBEL
ihnen. Und obgleich Bevan sich aufgrund der Sprachbarriere nicht an den Gesprächen beteiligen konnte, wurde sie von den Gastgebern nicht ausgeschlossen. Süylin hoffte, dies wäre für die Freundin ein guter Start in ihr neues Leben.
Mond 10 Jahr 3688
Frühling
Gal, Elung
Die Fischer des Dorfes hatten Wort gehalten, einer von ihnen hatte sie mit seinem Boot bis nach Gal gebracht. Gerne hätte Rihnall ihm mehr dafür gegeben als ein herzliches Dankeschön. Ihm blieb jedoch keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie wollten so schnell wie möglich in den Palast und mit dem König sprechen. Seine leise Zweifel begleiteten ihren Weg dorthin. Unabhängig davon, was er in den letzten Monden erlebt und durchlebt hatte, er war noch immer ein gesuchter Verbrecher und seine Frau eine Prinzessin, die vor einer arrangierten Ehe geflohen war. Hoffentlich waren ihre Informationen und der Spiegel dem König die Vergebung ihrer früheren Verfehlungen wert.
Am Palasttor angekommen, verweigerten die Wachen ihnen den Einlass. Obwohl er betonte, sie hätten wichtige Informationen für den König, verwies man sie auf die öffentliche Audienz in fünf Tagen. Der König habe keine Zeit, sich mit jedem dahergelaufenen Wichtigtuer zu beschäftigen. Da ergriff Süylin das Wort: „Aber für seine Tochter wird er ja wohl Zeit haben.“
Die Wache erwiderte: „Ihr seid also seine Tochter? Wohl kaum.“
Süylin aber baute sich in voller Größe vor dem Mann auf. Sie hatte offenbar nicht vergessen, wie man sich herrschaftlich gab. „Ich bin Süylin, älteste Tochter von König Tarel und Königin Lija. Ich verlange, sofort zu ihnen gebracht zu werden. Ansonsten wirst du die Konsequenzen zu spüren bekommen.“
Ihr Auftreten verfehlte seine Wirkung nicht. Selbst wenn die Wache nicht überzeugt gewesen wäre, sie hätte wahrscheinlich dennoch getan, was Süylin verlangte. Umgehend geleitete man sie in das Innere des Palastes.
Er war schon einige Male hier gewesen, hatte aber ganz vergessen, wie prachtvoll der gesamte Gebäudekomplex ausgestaltet war. Selbst die Unterkünfte für die Diener, die im äußeren Hof lagen, wirkten wie der Wohnsitz reicher Kaufleute. Mosaiken und Ornamente zierten die Außenwände, die aus behauenem Naturstein errichtet worden waren. Für gewöhnlich waren Gebäude aus einfachen Lehmziegeln. Und je näher sie dem eigentlichen Palast kamen, umso mehr steigerte sich die Pracht, metallene Kuppeln krönten kleine Türmchen, die Verzierungen waren aus Halbedelsteinen. Man führte sie durch mit teuren Teppichen ausgelegte Gänge.
Bevan war ihr Staunen deutlich anzusehen. Schon die Größe der Stadt hatte sie beeindruckt, nun aber war sie sprachlos.
Entgegen seiner Erwartungen brachte man sie nicht in den Thronsaal, sondern in einen Salon. Süylin flüsterte ihm zu, dass dieser ein Teil der privaten Räumlichkeiten der Königsfamilie war. Kaum waren sie dort angekommen, als eine weitere Person den Raum betrat, ein junger Mann, gekleidet in schlichte, doch hochwertige Gewänder. Die Wache, die sie hergebracht hatte, verneigte sich und ging.
Süylin aber lief auf den jungen Mann zu, zögerte dann aber und blieb kurz vor ihm stehen. Der Mann musterte sie kurz, dann aber zog er sie in seine Arme. „Süylin, meine Schwester, du bist es wirklich.“
Stumm beobachtete sie das Wiedersehen der Geschwister. Aus Süylins Erzählungen wusste Bevan, dass diese nur einen Bruder hatte, es musste also Gelkan, der Thronfolger, sein, der ihre Freundin dort gerade umarmte. Schon als er den Raum betrat, umgab ihn die Aura von Erhabenheit, ohne dass er dabei aber hochmütig wirkte. Vom ersten Augenblick an war sie fasziniert. Er sah auch wirklich gut aus, groß, muskulös, doch ohne dabei so grob zu wirken wie die Männer ihres Volkes. Das Blau seiner Haut war ganz zart, heller noch als das Süylins. Seine grauen Augen wirkten wach und klug.
Sie konnte nicht verstehen, was die beiden miteinander redeten, doch da Süylin erst auf sie und dann auf Rihnall deutete, nahm sie an, dass sie ihrem Bruder erklärte, wer ihre Begleiter waren. Gelkan trat an sie heran, nahm ihre Hand in die seine und sagte ein paar Worte. Da sie nicht verstand, blieb ihr nichts weiter, als zu lächeln. Selbst die Begrüßungsworte, die Süylin sie schon gelehrt hatte, wollten ihr in diesem Moment nicht in den Sinn kommen.
Süylin war zur Stelle, um ihr beizustehen. Sie übersetzte die Begrüßungsworte ihres Bruders und beruhigte Bevan, sie
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