WELTEN-NEBEL
Welt, ihrer Welt. Doch der Begriff hatte sich durchgesetzt und so beließ sie es dabei. Sollten sie es nennen, wie sie wollten, die Hauptsache war, dass Anstrengungen unternommen wurden, jene fremden Länder dereinst zu besuchen, zuallererst Atress.
Es lagen bewegte Zeiten vor den Elungern, für sich und ihre kleine Familie aber erhoffte sie sich eine Ruhepause. Vorerst wollte sie einfach ihr Glück mit ihrem Mann und ihrem Sohn genießen.
TOCHTER ALLER VÖLKER
WURZELN
Mond 1 Jahr 3718
Sommer
Ozean zwischen Elung und Atress
Der Wind trug den Geruch von Salz und Wasser, doch für Peerin war es die Verheißung von Freiheit und von einem neuen Anfang. Ihr Blick richtete sich gen Nordosten, in Richtung ihres Zieles. Im noch fremden Atress lag für sie nicht nur die Hoffnung auf eine neue Heimat, sie hoffte, dort auch die Beschwernisse und die Trauer, den Schmerz und die Enttäuschung der letzten Monde hinter sich lassen zu können.
Es war ihr nicht leicht gefallen, Elung den Rücken zu kehren, schließlich war es ihre Heimat. Andererseits aber erinnerte sie dort alles an Liwam, selbst alltägliche Begebenheiten hatten den Schmerz des Verlustes immer wieder hervorgerufen. Nach unzähligen vergossenen Tränen hatte sich endlich die Chance zur Flucht ergeben. Gegen alle Widerstände hatte sie sich einen Platz auf dem Schiff in Richtung Atress erstritten, hatte darauf bestanden, Teil der Expedition in das Nachbarland zu werden.
Als sie an Bord des Schiffes gegangen war, war eine große Last von ihr abgefallen. Sie war nun frei, musste sich endlich nicht mehr verstellen, musste ihre Gefühle nicht mehr verbergen. Nicht einmal ihre Eltern wussten um den wahren Grund für ihr Fortgehen, auch ihnen hatte sie verschwiegen, was sich zwischen ihr und Liwam ereignet hatte. Sie hatte um jeden Preis verhindern wollen, dass sie sich ihrer schämten, oder, was wahrscheinlich noch schlimmer gewesen wäre, Mitleid mit ihr empfanden. Sie war durch ihre eigene Schuld in diese Situation geraten, daher musste sie die Konsequenzen alleine tragen. Also hatte sie ihre Tränen verborgen, ihren Kummer hinter der Maske der Unbeschwertheit versteckt. Sicher hätte sie damit fortfahren können, bis der Schmerz irgendwann nachgelassen hätte, doch bei aller Selbstbeherrschung, vor einem Mond hatte sie feststellen müssen, dass es etwas gab, was sie nicht würde verbergen können, nicht vor ihren Eltern und auch nicht vor dem elungischen Volk.
Ihre Stellung als Prinzessin brachte es mit sich, dass ihr gesamtes Leben unter den Augen der Öffentlichkeit stattfand. Ihre Entscheidung, Elung zu verlassen, hatte sie daher nicht nur aufgrund ihrer eigenen Gefühle getroffen, sondern auch aus Rücksicht auf das Ansehen ihrer Eltern. Sie vermochte sich nicht einmal auszumalen, was geschehen würde, wenn herauskäme, dass sie, die Tochter von König Gelkan und Königin Bevan, ein uneheliches Kind erwartete.
Es war daher unumgänglich, fortzugehen. Hätte sie die Expedition nicht begleiten können, sie hätte einen anderen Weg ersinnen müssen.
Bis zu ihrer Abreise hatte sie es nicht über sich gebracht, ihren Eltern die Wahrheit zu sagen, hatte stets vorgegeben, ihr Forscherdrang triebe sie zu diesem Schritt. Ihre Tante Süylin war darin ihre größte Unterstützerin gewesen, hatte mit ihrer Fürsprache den Ausschlag für die Zustimmung ihrer Eltern gegeben. Dafür war Peerin ihr sehr dankbar.
Letztendlich aber wollte sie doch, dass ihre Familie die Wahrheit erfuhr. Unter Tränen hatte sie ihrer Mutter beim Abschied einen Brief überreicht, der alles erklärte. Sie hoffte, ihre Mutter würde Verständnis haben, sowohl für ihr Handeln als auch dafür, dass sie es ihr nicht hatte persönlich sagen können. Ihr hatte es einfach an der Kraft gefehlt, sich den Fragen ihrer Familie zu stellen, zu frisch waren die Emotionen gewesen, zu stark noch ihre Trauer.
Auch hätte das Wissen um die Wahrheit den Abschied mitnichten leichter gemacht. Die letzten Tage in Elung waren schwer für Peerin gewesen, immer wieder hatte sie ihren Entschluss verteidigen müssen. Besonders ihre Mutter Bevan hatte sie wiederholt gefragt, ob sie wirklich fortgehen wolle. Schließlich würde die Expedition nach Atress mindestens fünf Jahre dauern. Dabei hätte Bevan ihre Tochter doch am ehesten verstehen müssen, schließlich hatte auch sie sich vor dreißig Jahren aus Forscherdrang und Wissbegierde dazu entschlossen, ihre Heimat Atress in Richtung Elung
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