WELTEN-NEBEL
Mutter erkannt hatte, hatte sie Liwam nicht als einen schlechten Menschen betrachtet. Sie begann, ihn zu verteidigen, führte an, was ihre Mutter ihr gegenüber gesagt hatte: Liwam habe wohl nichts von Peerins tiefen Gefühlen geahnt, habe nicht um die Bräuche des Landes gewusst. Auch erklärte sie Bevan und Gelkan, dass selbst ihre Mutter Liwam nicht mehr zu zürnen schien. Als dies alles keinen Eindruck bei ihren Großeltern hinterließ, wagte sie gar, ihnen vorzuwerfen, dass sie vorschnell urteilten. Erst wenn man Liwams Version der Geschehnisse kannte, konnte man wirklich beurteilen, was damals vorgefallen war. Dieses Argument zeigte Wirkung, Bevan und Gelkan willigten ein, Ihel bei der Suche nach ihrem Vater zu unterstützen, so sie es denn vermochten. Ihel sollte so bald wie möglich Gelegenheit erhalten, mit Süylin zu sprechen, doch zuvor musste sie sich erst einmal etwas ausruhen. Erst als ihre Großmutter dies sagte, merkte sie, wie müde sie war. Schließlich war sie die ganze Nacht über wach gewesen und die vorangegangenen Nächte hatte sie ob der Aufregung auch nur wenig Schlaf gefunden. Noch einmal umarmte sie ihre Großeltern, bevor ein Diener ihr den Weg zu ihrem Zimmer wies.
Kaum dass sie sich auf dem weichen Bett des Gästeappartements ausgestreckt hatte, schlief sie auch schon ein.
Mond 4 Jahr 3736
Herbst
Gal, Elung
Drei Monde weilte sie nun bereits in Elung und doch gab es noch immer vieles zu entdecken und zu lernen. Es hatte schon einen Mond in Anspruch genommen, ihre weitläufige Verwandtschaft kennenzulernen. All ihre Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen hatten sie begeistert aufgenommen, immer wieder hatte sie ihre Geschichte erzählen müssen. Anfangs hatte es ihr gefallen, Teil einer so großen Familie zu sein, doch inzwischen hatte ihre Begeisterung abgenommen. Sie hatte erkennen müssen, dass sie sich doch sehr von ihren Verwandten unterschied, ihr Leben war vollkommen anders verlaufen als das der königlichen Familie. Der ganze höfische Lebensstil behagte ihr nicht wirklich. Je mehr Zeit sie innerhalb der Palastmauern verbrachte, umso mehr sehnte sie sich nach der kleinen Hütte und der Weite des Meeres.
Der Besuch bei ihrer Großtante Süylin war daher eine willkommene Abwechslung zum Leben im Palast. Als einziges Mitglied der königlichen Familie hatte sie Gal den Rücken gekehrt. Sie, ihr Mann Rihnall sowie ihre Kinder und Kindeskinder lebten in einem kleinen Dorf am Ufer des Galsees. Süylin erledigte ihre Aufgabe als Vorsitzende der Gelehrtenvereinigung zumeist von dort aus, sandte Briefe und empfing Gelehrte in dem kleinen Arbeitszimmer ihres einfachen Hauses. Nur wenn es sich nicht vermeiden ließ, kam sie persönlich nach Gal.
Daher hatte es über einen Mond gedauert, bis Ihel ihre Bekanntschaft hatte machen können; erst als Süylin zufällig in Gal weilte, war dies gelungen. Als Süylin gehört hatte, warum Ihel nach Elung gekommen war, hatte sie sie sogleich in ihr Dorf eingeladen. Dort wollte sie ihr alles erzählen, was sie über Liwam wusste. Am liebsten wäre Ihel damals sofort aufgebrochen, doch ihre Verwandten nahmen sie dermaßen in Beschlag, dass es ihr erst jetzt gelungen war, Süylin aufzusuchen.
Am Vortag war sie in dem Dorf angekommen, hatte zunächst alle dort lebenden Mitglieder der Familie kennengelernt. Sie musste zugeben, dass sie diesen Teil ihrer Verwandtschaft sympathischer fand als den, der in Gal lebte. Hier wurde ein bodenständiges Leben gelebt, alle Familienmitglieder gingen einem Beruf nach, einige waren Handwerker, andere Fischer, manche waren künstlerisch tätig oder eiferten Süylins Gelehrtenlaufbahn nach. Insgesamt hatten Süylin und Rihnall fünf erwachsene Kinder, die ihrerseits insgesamt sechzehn Kinder hatten. Die ältesten von diesen waren etwas älter als Ihel, das jüngste hatte gerade erst fünf Sommer gesehen.
An diesem Tag wollte Süylin ihr etwas über Liwam erzählen, Ihel konnte es kaum erwarten. Sie war aufgeregt, als sie am Morgen das Arbeitszimmer ihrer Großtante betrat. Diese war ganz in ein Buch vertieft, bemerkte ihr Eintreten zunächst nicht. Unschlüssig, ob sie sie stören sollte, trat sie zunächst von einem Fuß auf den anderen. Schließlich blickte Süylin auf. Sie lächelte und bat Ihel, Platz zu nehmen.
Zunächst sollte Ihel berichten, was ihre Mutter ihr über Liwam erzählt hatte. Jetzt, da sie es wiedergab, merkte sie, wie wenig es doch war. Bald hatte sie geendet.
Dann begann Süylin mit ihren
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