WELTEN-NEBEL
Soldat nahm das Schmuckstück in Augenschein, drehte es zwischen den Fingern, offenbar unschlüssig, was er davon halten sollte. Er wollte wohl keinen Fehler machen. Immerhin behauptete sein Gegenüber, Mitglied des Königshauses zu sein.
Die Zeit verstrich. Ihel bemühte sich, sich ihre Unruhe und Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Endlich schien der Wachposten zu einer Entscheidung gekommen zu sein. Er rief einen weiteren Soldaten herbei. Dieser geleitete Ihel in den Palast. Sie durchquerten mehrere Höfe, einer war prächtiger als der andere. Gerne wäre sie stehen geblieben und hätte die wundervollen Gebäude in Ruhe betrachtet, doch sie musste ihrem Führer folgen. Dieser brachte sie in eine Schreibstube, wo sie sich einem Beamten gegenübersah, der sogleich mit einer Befragung begann. Sie musste ihre ganze Lebensgeschichte offenlegen, ebenfalls musste sie über ihre Mutter sprechen. Auch über die Umstände, unter denen diese damals Elung verließ, musste sie Auskunft geben. Der Beamte machte sich Notizen, befahl ihr schließlich zu warten, und verließ das Zimmer. Sie blieb zurück, voller Sorge, ob man ihrer Geschichte Glauben schenken würde. Durch das Fenster konnte sie beobachteten, wie die Sonne unterging.
Als nur noch ein schmaler roter Streifen am Horizont zu sehen war, öffnete sich die Tür und eine ältere Frau und ein älterer Mann betraten den Raum. Ohne dass diese sich vorgestellt hätten, wusste sie sofort, dass dies ihre Großeltern waren. Sie war sich dessen so sicher, dass sie es wagte, aufzustehen, auf sie zuzugehen und sie zu umarmen.
Als sie die junge Frau dort sitzen sah, waren alle Zweifel ausgeräumt. Ihre Gesichtszüge waren denen ihrer Tochter Peerin zu ähnlich, als dass diese hätte nicht ihre Mutter sein können. Völlig unverhofft sah sich Bevan nun ihrer Enkelin gegenüber. Sie konnte es kaum glauben. Als das Mädchen auf sie zukam und sie umarmte, erwiderte sie dies und spürte sofort eine Verbindung zu dieser eigentlich Fremden. Sie blickte zu ihrem Mann Gelkan. Auch dieser schien sich sicher zu sein, schloss die beiden Frauen in seine Arme, hielt sie einfach nur fest umschlugen.
Bevan aber konnte ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten. Tränen traten ihr in die Augen und sie begann vor Freude zu weinen. Nie hätte sie sich träumen lassen, ihre Enkelin jemals kennenzulernen. Peerin hatte in ihrem Brief keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Elung ein für alle Mal den Rücken gekehrt hatte und ihr Kind in der Fremde großziehen würde. Damals, vor ziemlich genau siebzehn Jahren, hatte Bevan um ihre Tochter Peerin getrauert, ganz so, als sei sie gestorben. Sie hatte keine Hoffnung gehabt, jemals wieder von ihr zu hören. Der Brief war in dieser Hinsicht eindeutig gewesen, Peerin hatte alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abbrechen wollen, und so schwer es ihr gefallen war, sie hatte dem Wunsch ihrer Tochter entsprochen, hatten niemals versucht, sie zu finden, obgleich es ihnen sicher möglich gewesen wäre.
Jetzt aber war ihre Enkelin zu ihnen gekommen. Durch sie würde Bevan erfahren, wie es ihrer Tochter all die Jahre in Atress ergangen war. Ihr Herz floss beinahe über vor Glück. Nur die persönliche Anwesenheit Peerins hätte sie noch glücklicher machen können.
Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, löste sie sich aus der Umarmung. Gelkan und sie geleiteten ihre Enkelin in ihren privaten Salon, ließen Speisen auftragen und gaben der jungen Frau etwas Zeit, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Das Staunen in ihren Augen erinnerte Bevan daran, wie es ihr bei ihrem ersten Besuch im Palast ergangen war. Für jemanden, der sein ganzes Leben in den einfachen Siedlungen von Atress verbracht hatte, konnte die Pracht wahrhaft überwältigend sein.
Irgendwann aber konnte sie ihre Neugier nicht mehr bezwingen und begann, ihrer Enkelin Fragen zu stellen.
Das Gespräch mit ihren Großeltern dauerte die ganze Nacht. Die beiden wollten alles über ihr Leben in Atress wissen und natürlich auch über ihre Mutter. Erst als der Morgen anbrach, kamen sie auf den Grund ihrer Reise zu sprechen. Sie waren erstaunt, zu hören, dass sie auf der Suche nach ihrem Vater war. Sie konnten nicht verstehen, warum Ihel ihn finden wollte, wo er sich ihrer Mutter gegenüber doch so schändlich verhalten hatte. Sie fanden deutliche Worte für das, was er Peerin mit seinem plötzlichen Verschwinden angetan hatte.
So hatte sie es noch nie betrachtet. Obgleich sie den Schmerz ihrer
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