WELTEN-NEBEL
den Fahrpreis für Waylen und sich und am zweiten Tag des neuen Jahres begann ihre gemeinsame Reise.
Mond 1 Jahr 3737
Winter
Südliches Meer, Cytria
Fast die gesamte Überfahrt verbrachte sie in ihrer Kabine. Der eisige Wind verhinderte längere Aufenthalte an Deck. Ihr blieb daher viel Zeit zum Nachdenken. Immer wieder fragte sie sich, ob sie das Richtige tat, kam aber zu keinem Ergebnis. Irgendwann zwang sie sich, die kreisenden Gedanken zu stoppen und sich auf das zu konzentrieren, was vor ihr lag. Der Fußmarsch von Syyn zur Lichtung würde kein leichter werden. Der Winter machte Anstalten, ein harter zu werden. Ihre Kleidung hatte sie zwar entsprechend gewählt, doch sie wusste nicht, ob sie die Nächte im Freien wirklich würde aushalten können. Eigentlich war es töricht gewesen, mit dem Aufbruch nicht bis zum Frühjahr zu warten. Nun, jetzt würde sie es durchstehen müssen. Sie nahm sich fest vor, nie zu klagen. Vor Waylen wollte sie keine Schwäche zeigen, da dieser im Vorfeld der Reise immer wieder Bemerkungen machte, die seine Zweifel an Ihels Durchhaltevermögen zum Ausdruck gebracht hatten. Wann immer dies geschehen war, hatte sie ihn scharf zurechtgewiesen, hatte ihn daran erinnert, dass er ihr Angestellter war.
Vor ihrem Aufbruch hatten sie Waylen insgesamt nur drei Mal getroffen und auch hier auf dem Schiff bekam sie ihn nicht allzu oft zu Gesicht, was ihr sehr gelegen kam. Ihr anfängliches Gefühl von Abneigung war nicht geschwunden, hatte sich eher noch verstärkt. Seine großspurige Art war ihr zuwider. Für ihren Geschmack war er etwas zu sehr von sich selbst überzeugt und schnell dabei, andere Menschen herabzusetzen. Freunde würden sie ganz sicher nicht werden.
Eine solch lukrative Arbeit hatte er noch nie gehabt. Es war ihm gelungen, der Fremden eine stattliche Summe für seine Dienste zu berechnen. Dabei war das, was er dafür leisten sollte, wohl kaum Arbeit zu nennen. Fast die Hälfte der Zeit würde er auf einem Schiff verbringen und das Reisen durch den Uralt-Wald war auch nicht weiter anstrengend. Einzig die Tatsache, dass seine Auftraggeberin nicht hatte bis zum Frühling warten wollen, machte die Sache etwas ungemütlich. Kalte Nächte im Freien waren nicht unbedingt nach seinem Geschmack.
Aber er durfte nicht klagen, eigentlich hatte er es gut getroffen, musste sich eine Zeit lang nicht mehr von einem Tagelöhnerjob zum nächsten hangeln. Seit er vor zwei Jahren sein Heimatdorf im Nordöstlichen Hochland verlassen hatte, war er eher schlecht als recht über die Runden gekommen. Nicht nur einmal hatte er sich ob seiner Dummheit gescholten, das Angebot seines Bruders, den elterlichen Hof gemeinsam zu bewirtschaften, ausgeschlagen zu haben. Dabei hätte das fruchtbare Land problemlos zwei Familien ernähren können. Sein Stolz aber war zu groß gewesen, er hatte nicht sein Leben lang unter der Bevormundung seines älteren Bruders stehen wollen. Da er keinen anderen Beruf als Bauer gelernt hatte, musste er sein Geld nun mit ungelernten Tätigkeiten verdienen, die zumeist mit harter körperlicher Arbeit verbunden waren. Einige Zeit lang war er Holzfäller im Uralt-Wald gewesen, hatte dies aber in der Hoffnung auf bessere Arbeit in der Hauptstadt aufgegeben. Als Helfer hatte er einige Warenlieferungen begleitet, die von Aaran in die nähere Umgebung oder in die umgekehrte Richtung erfolgten, bisweilen hatte er als Eskorte für ängstliche Reisende gearbeitet. Daher stammte auch seine Bekanntschaft mit dem Gelehrten, der Ihel seine Dienste empfohlen hatte. Wenn diese Reise gut verliefe, eröffnete sich ihm vielleicht die Möglichkeit, auch weiterhin als Reisebegleiter zu arbeiten. Wünschenswert wäre das, denn dieser Beruf würde genug Geld abwerfen, um eine Familie zu ernähren, ein Umstand, der für einen Mann seines Alters – er war fünfundzwanzig – durchaus entscheidend war.
Insgesamt war er zuversichtlich, dass Ihel mit seiner Arbeit zufrieden wäre, doch eine Sache machte ihm Sorgen: Entgegen seiner Behauptung war er nie auf der Lichtung gewesen, die ihr Ziel war. Er kannte nur die ungefähre Lage. Er hoffte, dennoch den richtigen Weg zu finden.
Mond 1 Jahr 3737
Winter
Syyn, Cytria
Zu ihrer großen Erleichterung erreichten sie nach zwölf Tagen auf See den Hafen von Syyn, ohne zuvor in einen der berüchtigten Winterstürme geraten zu sein. Noch eine Nacht war ihnen nun der Komfort eines Gasthauses vergönnt, sobald sie Syyn verlassen hätten, reisten
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