WELTEN-NEBEL
hatten sie keine.
Über das Wirken der Götter gab es beim Wüstenvolk viele Legenden und Geschichten. Zum Teil deckten sie sich mit denen, die Mawen schon an der Südküste aufzeichnet hatte. Viele aber waren für Mawen und auch für Elec vollkommen neu.
Stunde um Stunde hatte der Älteste erzählt, doch am dritten Tag sagte er: „Nun ist alles gesagt. Jetzt ist es Zeit, dass die Götter sprechen.“ Er entzündete ein Bündel Kräuter und ein wohlriechender Rauch füllte das Zelt. Der Alte begann zu singen. Mawen und Elec schwiegen still. Sie wussten wohl, dass es sich um eines der Rituale handeln musste, das göttliche Visionen willkommen hieß. Der Stammesälteste schien in Trance gefallen zu sein. Sein Gesang brach ab. Sie warteten.
Der Älteste schlug die Augen auf. Er war wieder ganz bei ihnen. „Die Götter befinden euch für würdig. Ihr seid bereit, eure Aufgabe zu vollenden.“
Mawen schaute Elec an, doch dessen Gesicht drückte die Verwirrung aus, die er selbst empfand.
Der Stammesälteste fuhr fort: „Die Götter haben Kahal ausgewählt, euch ein Stück des Weges zu begleiten, doch wenn die Zeit gekommen ist, so wird es allein in euren Händen liegen. Ich weiß, dass ihr jetzt viele Fragen habt, doch es obliegt nicht mir, sie zu beantworten. Ihr solltet nun zu den Göttern beten und ihren Segen erbitten. Dann schlaft, bei Sonnenaufgang werdet ihr mit Kahal aufbrechen.“
Noch bevor Mawen fragen konnte, wohin, wandte der Älteste ihnen den Rücken zu. Das war das Zeichen, dass es Zeit für sie war zu gehen. Sie kehrten in ihr Zelt zurück.
Er wusste nicht, wie er die Worte des Ältesten deuten sollte. Sie hatten viele Fragen aufgeworfen. Er fragte Mawen: „Was denkt Ihr, hat er damit gemeint, wir sollten unsere Aufgabe vollenden?“
„ Er bezieht sich wohl auf die Zusammenführung Cytrias und Helwas, denn dies war die Aufgabe, die mich hergeführt hat.“
„ Aber wie sollen wir hier in der Steppe diesem Ziel näherkommen? Kahal wird uns wohl kaum bis nach Heet führen, wo wir Einfluss auf meinen Vater nehmen könnten. Das macht keinen Sinn.“
„ Da habt Ihr Recht. Doch wir können kaum mehr tun, als abzuwarten. Vielleicht sollten wir tun, was der Älteste uns geraten hat, beten und uns dann schlafen legen.“
Er musste Mawen zustimmen, es machte keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen. Sie würden den Rat des Stammesältesten befolgen.
Elec versuchte, den Kontakt zu den Göttern zu finden, so wie er es am Tag der Wintersonnenwende getan hatte. Zu seinem eigenen Erstaunen gelang es ihm sofort. Er spürte erneut die Gegenwart von etwas, das den menschlichen Verstand überstieg. Es war in ihm und um ihn. Bei seiner ersten Begegnung mit den Göttern hatte er dies nur staunend auf sich wirken lassen, doch diesmal suchte er nach Antworten.
Als er in Gedanken die Frage nach der Aufgabe formulierte, veränderte sich die Präsenz des Göttlichen. Bilder stiegen in seinem Geist auf: Wüste. Ein Sandsturm. Eine Frau. Der Palast von Heet. Ein Schiff. Ein Marktplatz voller glücklicher Menschen. Kinder. Der Bilderstrudel wurde begleitet von einer Flut von Klängen, Worten, Satzfragmenten, doch er konnte sie nicht verstehen, sie folgten zu schnell aufeinander, überlagerten sich sogar. Dennoch glaubte er, seinen Namen gehört zu haben. Auch ein weiteres Wort hörte er mehrmals: Madia. Als er begann, über die Bilder nachzudenken, riss die Verbindung zum Göttlichen ab. So sehr er sich bemühte, seine Geist wieder dafür zu öffnen, es gelang ihm nicht, zu sehr grübelte er über das, was er gesehen und gehört hatte. Was hatten diese Bilder zu bedeuten? Was wollten ihm die Götter mitteilen?
Gerne hätte er seine Gedanken mit Mawen geteilt, doch als er sich zu seinem Freund umdrehte, musste er feststellen, dass dieser schlief. Er musste lange im Gebet versunken gewesen sein. Resigniert versuchte er, es Mawen gleichzutun und etwas Ruhe zu finden.
Jahr 3620 Mond 4 Tag 1
Westliche Steppe
Er erwachte noch vor Sonnenaufgang. Zu seinem Erstaunen hatte er trotz der Ungewissheit eine ruhige Nacht gehabt. Er sah, wie sich Elec unruhig auf seinem Lager hin- und herwälzte. Beruhigend legte er ihm die Hand auf die Schulter. Diese leichte Berührung ließ seinen Begleiter aufschrecken. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. „Verzeiht, ich wollte Euch nicht wecken. Habt Ihr schlecht geträumt?“
Elec nickte, schien das Thema aber nicht vertiefen zu wollen. Stattdessen sagte er:
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