WELTEN-NEBEL
er: „Elec, ich liebe dich.“ Der Sturm riss ihm die Worte aus dem Mund. Er konnte sich nicht sicher sein, ob Elec sie vernommen hatte. Dann konnte er der Kraft des Sturms nichts mehr entgegensetzten. Er fiel und seine Hände lösten sich von Elecs. Er versuchte noch einmal, danach zu greifen, doch er verlor das Bewusstsein.
Als er erwachte, war es später Nachmittag. Mühsam befreite er sich aus dem Sand und kam auf die Beine. Gerne hätte er nach Elec gerufen, doch sein Mund war voller Sand. Verzweifelt suchte er die nähere Umgebung ab, doch nirgends konnte er Spuren entdecken. Nicht dass es irgendeinen Unterschied gemacht hätte, er befand sich alleine und ohne Wasser und Nahrung in der Wüste. Innerhalb weniger Tage wäre er ohnehin tot. Wenn Elec im Sandsturm gestorben war, so war sein Tod wenigstens ein gnädiger gewesen. Mawen hingegen würde elendig verdursten und bis zu seinem letzten Atemzug daran denken müssen, dass er seine Liebe in den Tod geführt hatte. Wenn er Elec doch niemals begegnet wäre. Gerne hätte er bittere Tränen vergossen, doch dazu fehlte ihm die Kraft. Resigniert ließ er sich in den Sand fallen. Er würde einfach hier auf sein Ende warten.
Der Himmel färbte sich rot im Licht der untergehenden Sonne. Doch was war das? Er glaubte, Umrisse eines Gebäudes am Horizont ausmachen zu können. War das real oder ein Trugbild? Er hatte nichts zu verlieren, daher lief er darauf zu. Vielleicht hatte Elec den Sturm doch überlebt und diesen Ort auch entdeckt. Es blieb eine kleine Hoffnung, ihn zu finden.
Wirklich, es war real. Nach einiger Zeit hatte er eine Oase erreicht.
Mehrere Bäume umstanden einen kleinen See, dessen Wasser vollkommen klar war. Doch da war noch mehr, hinter den Bäumen erhob sich die Ruine eines einst großen Gebäudes. Doch im Moment war dies nebensächlich. Er stillte seinen Durst und wusch sich den Sand aus dem Gesicht. Inzwischen war es dunkel geworden. Er konnte kaum noch etwas erkennen. Einige Male rief er Elecs Namen, dann legte er sich am Ufer nieder und schlief völlig entkräftet ein.
Er brauchte eine Weile, bis er wusste, wo er war. Als die Geschehnisse des vergangenen Tages zurückkehrten, war er schlagartig hellwach. 'Elec', schoss es ihm sofort durch den Kopf. Seine Blicke schweiften durch die Oase. Sie war nicht groß, sodass er sie von seinem Standpunkt aus fast vollständig überblicken konnte. Als er Elec nirgends entdecken konnte, machte er sich auf, um die Ruine zu erkunden. Es musste einst ein wirklich prachtvolles Gebäude gewesen sein. Die Außenwände erhoben sich noch mindestens zehn Fuß hoch, doch das Dach fehlte. Er betrat den großzügigen Innenraum durch ein breites Portal. Es musste einst ein riesiger quadratischer Raum gewesen sein. Er war sich fast sicher, dass dies ein Tempel gewesen war. Die Worte Kahals kamen ihm in den Sinn. Wenn die Wüste tatsächlich ein Ort großer Kraft war, so war es sehr wahrscheinlich, dass die Menschen hier einen Tempel errichtet hatten. Seine Überlegungen zum Zweck dieses Gebäudes ließen ihn einen Moment vergessen, dass er hier nach Elec hatte suchen wollen. Da die Ruine leer war, lief er wieder nach draußen, um die Oase erneut abzusuchen, doch ohne Erfolg.
Er würde sich damit abfinden müssen, dass er seinen Freund verloren hatte.
Dieses Eingeständnis traf ihn hart und er sank ermattet im Schatten eines Baumes zusammen. Den Rücken an den glatten Stamm gelehnt, dachte er über seine Situation nach. Er hatte versagt. In einer Oase in der Wüste würde er wohl kaum die Aufgabe erfüllen können, die die Götter ihm zugedacht hatten. Auch hatte er den Menschen verloren, der ihm alles bedeutet hatte. Elec war ihm Freund, Seelenverwandter und seine einzige Liebe gewesen. Nun aber war er tot. Nie wieder würde Mawen sich mit dem Prinzen austauschen können, nie wieder neue Orte mit ihm erkunden oder die Freude über eine Entdeckung teilen. Nie wieder würde er seine Stimme hören, seine Hand auf der Schulter spüren, sehen, wie er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Er dachte an all die Dinge, die sie zusammen erlebt, all die Momente, die sie geteilt hatten. Tränen liefen über seine Wangen, doch er spürte es nicht. Die Sonne war weitergewandert und schien ihm direkt ins Gesicht, doch er merkte es nicht. Seine Kehle war trocken und sein Magen knurrte, doch er bemerkte es nicht. Die Trauer war so übermächtig, dass sie alle anderen Empfindungen verdrängte. Der
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