WELTEN-NEBEL
Aufgabe zu vollenden. Wahrscheinlich wäre ich nie bis hier gekommen. Danke.“
Er legte seinen Arm um Mawens Schulter und drückte ihn an sich. Es war ein seltsames Gefühl, ihm so nahe zu sein. Dabei war es nicht ungewöhnlich, Freunde zu umarmen. Zu Mawen aber hatte er trotz aller Nähe und Vertrautheit stets eine körperliche Distanz gewahrt. Ganz so, als habe er geahnt, welch widersprüchliche Gefühle durch diese harmlose Umarmung ausgelöst würde. Was war es? Tiefe Verbundenheit, aber auch Aufregung. Sein Herz klopfte. Was war bloß geschehen? Fast war es, als habe er soeben eine Grenze überschritten. Mawens Empfinden war wohl ein ähnliches, denn er machte sich von ihm los. Um sein Unbehagen zu überspielen, sagte Elec: „Ich möchte, dass Ihr eines wisst: Was immer in der Wüste geschehen wird, ich danke Euch für Eure Freundschaft. Ihr habt mein Herz berührt auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hätte. Ihr habt einen besseren Menschen aus mir gemacht.“ Er konnte Mawen ansehen, dass dieser etwas sagen wollte, um sein Kompliment zu entkräften, doch dies ließ er nicht zu. „Bitte sagt jetzt nichts.“
Und wirklich, Mawen schwieg und senkte den Blick. Elec meinte, im Licht des verlöschenden Feuers, ein Glitzern in seinen Augen zu sehen.
Mawen versuchte, seinen Gefühlen Herr zu werden und die Tränen zu unterdrücken, auf dass Elec das Aufwallen seiner Emotionen nicht bemerkte. Nicht nur Elecs Worte berührten ihn tief. Als er sich plötzlich in Elecs Armen wiederfand, hielt er vor lauter Schreck den Atem an.
Sobald er den ersten Schock überwunden hatte, befreite er sich aus Elecs Umarmung. Obwohl sie nun schon seit fast fünf Monden Tag und Nacht zusammen waren, hatte es nie Momente solch körperlicher Nähe gegeben. Mehr als ein freundschaftlicher Klaps auf die Schulter war nie gewesen.
Umso überraschender war die Umarmung. Elec so nahe zu sein, fühlte sich beängstigend gut an. Wenn er sich dieses Wohlgefühl nur einen Augenblick länger gestattete, brächte es ihn sicher dazu, sein Geheimnis zu verraten und damit die ganze Mission zu gefährden. Schließlich konnte er sich nicht sicher sein, ob Elec bei ihm bliebe, wenn er erführe, dass er ihn die ganze Zeit über belogen hatte. Sie waren so nah an der Erfüllung der Aufgabe, dass er es auf keinen Fall aufs Spiel setzen durfte. Er redete sich ein, das Richtige zu tun.
Jahr 3620 Mond 4 Tag 10
Zentralwüste
Als sie an ihrem dritten Morgen in der Wüste ihr Nachtlager abbrachen, trat Kahal auf sie zu und sprach: „Mein Weg endet hier, nun müsst ihr alleine weitergehen. Das Gebiet, in das ihr gehen werdet, ist meinem Volk so heilig, dass wir es niemals ohne die Erlaubnis der Götter betreten würden. Geht einfach weiter nach Osten, dann werdet ihr den Ort eurer Bestimmung innerhalb eines Tages erreicht haben.“ Er reichte jedem von ihnen ein Bündel mit Wasser und Proviant. „Lebt wohl. Mögt ihr stets unter dem Schutz der Götter wandeln.“
Ohne ihnen Zeit für eine Erwiderung und ein Lebwohl zu geben, drehte sich der Wüstenmensch um und schritt, das Rata hinter sich herführend, in westlicher Richtung davon.
Nun waren sie auf sich gestellt. Sie entschieden, dass es keinen Sinn hatte, den Aufbruch hinauszuzögern und liefen los, die Morgensonne im Rücken. „Wir werden es schaffen“, sagte Mawen, mehr um sich selbst, denn um Elec Mut zuzusprechen.
Die Sonne stand im Zenit, als der Wind schlagartig auffrischte. Sand wurde umhergewirbelt. Von einem Moment auf den anderen konnten sie so gut wie nichts mehr sehen. Ein Sandsturm. Sie hatten keine Möglichkeit, irgendwo Schutz zu suchen. Dicht nebeneinander kauerten sie sich einander zugewandt auf den Boden und versuchten sich so gut es ging, gegen den herumwirbelnden Sand zu schützen. Mawen hoffte auf ein schnelles Abflauen des Windes, doch der Sturm nahm an Stärke noch zu. Er griff nach Elecs Hand, um ihn in der Dunkelheit des Sturms nicht zu verlieren. Er versuchte, näher an ihn heranzukommen. Er brüllte: „Wir müssen aufstehen, bevor der Sand uns begräbt.“ Mühsam kamen sie wieder auf die Beine. Sie klammerten sich aneinander, doch Mawen spürte, wie der Wind sie immer wieder auseinanderzuziehen versuchte. Sie würden hier sterben und niemand konnte ihnen helfen. Der Sturm würde sie gleich erfassen und dann unter dem Sand begraben. Dies waren ihre letzten Sekunden. Noch einmal kämpfte er sich dicht an Elec heran. So laut er konnte, rief
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