WELTEN-NEBEL
wohnten hier wohl etwas mehr als hundert Menschen. Er würde Mawen nach der genauen Zahl fragen. Neben den Menschen lebte in dem Lager auch eine Vielzahl von Tieren. Abgesehen von Ratas gab es auch noch die zähen Ekas, die wegen ihrer Genügsamkeit selbst in der Steppe gut zu halten waren. Für das Wüstenvolk waren ihre Milch und ihr Fleisch ein wichtiger Beitrag zur Ernährung.
Wie er es vorausgesagt hatte, war das Lager in unmittelbarer Nähe der Nördlichen Bergkette. Gleich neben dem Lager gab es einen kleinen See, der stetig von einem Gebirgsbach gespeist wurde. Da es daher nicht an Wasser mangelte, hatte das Wüstenvolk sogar einige Stellen in der Nähe, auf denen sie schnell wachsende Gemüse anbauten. Sie schienen den Lagerplatz eine längere Zeit nutzen zu wollen.
Kurz nach ihrer Ankunft war er enttäuscht gewesen, als er erfuhr, dass diese Gruppe des Wüstenvolkes niemanden hatte, der sich auf die Glaskunst verstand. Schließlich war er sehr daran interessiert gewesen. Doch in den drei Tagen, die sie nun schon bei Kahals Stamm verbrachten, hatte er so viel Neues und Interessantes erfahren, wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Von der nomadischen Lebensweise über die Ernährung bis zu ihrer Gesellschaftsstruktur, fast alles unterschied das Wüstenvolk vom Rest der helwarischen Gesellschaft. Es war wenig verwunderlich, dass alle Versuche des Königs, sie zu integrieren, fehlgeschlagen waren. Bisher hatte er vorrangig die Alltagskultur studiert, doch an diesem Abend waren Elec und er beim Stammesältesten eingeladen, der ihnen Einblick in die Legenden und den Glauben des Wüstenvolkes gewähren wollte.
Erst als die Mahlzeit beendet war, begann der Alte auf dieses Thema zu sprechen: „Jahrhunderte der Unterdrückung haben die Menschen Helwas ihren Glauben vergessen lassen, doch wir haben ihn bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben. Mawen, mir wurde zugetragen, dass auch Euer Volk die Götter verehrt.“
„ So ist es.“
„ Gut, dann wird Euch das Folgende wohl weniger fremd vorkommen. Wir vom Wüstenvolk lehren unsere Kinder, die Natur zu ehren, denn sie ist ein Ausdruck des Göttlichen. Wer die Natur missachtet, beleidigt die Götter, die uns so großzügig zur Verfügung stellen, was wir zum Leben brauchen. Auch Achtung vor den Mitmenschen ist ein Teil der Ehrerbietung an die Götter. Im Gegenzug für unsere Huldigung senden uns die Götter von Zeit zu Zeit Zeichen, Vorahnungen und tiefere Erkenntnisse der Wahrheit. Sie leiten uns immer dann, wenn der menschliche Verstand keinen Ausweg mehr ersinnen kann. Wie ich hörte, sind Zeichen der Götter der Grund dafür, dass Ihr in Helwa seid. Daher werdet Ihr sicher eine Vorstellung von dem haben, was ich Euch sagte.“
„ In der Tat. Dennoch würde ich gerne erfahren, in welcher Weise die Götter schon das Leben Eures Stammes beeinflusst haben.“
„ Gerne gebe ich Euch Auskunft darüber, doch würde ich zunächst gerne Eure Geschichte in aller Ausführlichkeit hören. Bisher sind mir nur Bruchstücke zugetragen worden.“
So kam es, dass der Abend mit Erzählungen Mawens verstrich. Er begann seinen Bericht mit der Ankunft Zadas in Cytria, erzählte von der Inschrift auf dem Heiligen Würfel, ihrer Reise und endete mit dem Zusammentreffen mit Kahal. Dabei bemühte er sich, besonders auf die Momente göttlichen Wirkens einzugehen. Bisweilen nickte der Älteste, doch er unterbrach ihn nicht, Fragen stellte er erst, als Mawen geendet hatte.
Es war mitten in der Nacht, als sich der Älteste bedankte und sie für den nächsten Morgen erneut einlud.
Jahr 3620 Mond 3 Tag 29
Auf See
Zada hatte mit Freude beobachtet, dass Darija sich Felkan gegenüber langsam geöffnet hatte. Anfangs hatte sie ihn gemieden, doch allmählich schien sie einzusehen, dass Felkan wirklich an einem neuen Leben in Cytria interessiert war. Im gleichen Maße, wie sich seine Sprachkenntnisse verbesserten, zeigte sich auch Darija immer freundlicher. Sie hatte sogar angefangen, ihn in die Grundlagen der Seefahrt einzuführen. Wenn Zada das Steuer übernahm, konnte sie Darija und Felkan sogar manchmal in einem privaten Gespräch beobachten. Ihrer Meinung nach konnten die beiden wirklich noch Freunde werden.
Auch wenn sein Cytrian noch schlecht war, versuchte er sich immer wieder an einfachen Gesprächen mit Darija. Er wollte ihr beweisen, dass er es ernst mit dem neuen Leben meinte. Als Zada das Steuer übernommen hatte, nutze er
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