Welten-Reise
zu den spitzesten Winkeln. »Seid nicht leichtfertig!« rief der rückführende Winkel. »Da gibt es noch einige Punkte, die sehr sorgfältig erörtert werden müssen!«
Im Zentrum der allerschärfsten Winkel war eine schmale, blutb e fleckte Pforte. An ihren Streben hatte sie scharfe, spitzwinklige Glasscherben und auf der Krone nadelgleiche Stacheln. Sie hatten den Eingang zum Schmerz gefunden!
Ivy sah auf die Dorne. Sie konnte keinen Gefallen daran finden, sich dort durchzuzwängen! »Du weiß, Grey, alles ist hier magisch, weil es das Traumreich ist. Also müßtest du in der Lage sein, es zu durchbrechen. Aber wenn du es tust…«
»Wird es den Traum selbst zerstören?« beendete Grey den Satz. »Würde die Ausübung anderer magischer Fähigkeiten dabei hi n derlich sein?«
Dolph verwandelte sich in einen Kobold. »Nicht, daß ich wüßte, Klugscheißer!« sagte er entsprechend der Figur, die er darstellte.
Ivy faßte den nächsten scharfen Winkel an und verstärkte ihn, so daß er funkelte. »Es scheint nicht so zu sein«, stimmte sie zu.
»Dann sollte es mir gelingen, meine Fähigkeiten ohne Wutau s brüche anzuwenden«, entschied Grey. »Vorausgesetzt, ich gehe maßvoll vor.« Er streckte die Hand vorsichtig nach der Pforte aus. »Warum, das ist überhaupt kein Glas!« rief er aus, »es ist eine Ill u sion!«
»Es ist jetzt eine Illusion«, sagte Dolph. »Du kannst drauf wetten, einen Moment vorher war es keine.«
»Es ist eine Frage der Interpretation«, betonte Ivy. »Weil die g e samte Traumwelt aus Illusion gefertigt ist, sind Illusionen hier wirklich. Grey hat gerade einen Teil der Glas-Illusions-Wirklichkeit überwunden.«
»Ich bin froh«, sagte Dolph, »wenn du dich hier schneidest, dann blutest du zwar, aber wahrscheinlich nicht dein wirklicher Körper, der in Xanth geblieben ist. Aber es tut genauso weh.«
Ivy erinnerte sich an Richard Riese und seinen Strom aus Blut. Sie wußte, daß es stimmte.
Sie zwängten sich durch die jetzt ungefährliche Pforte. Die Gla s scherben bogen sich harmlos wie Blätter beiseite.
Sie waren in einer grauenhaften Gegend. Dies war mit Sicherheit das Arrangement für die Alpträume jener, die Schmerzen fürcht e ten. Überall waren leidende Leute. Manche hatten abscheuliche Krankheiten, einige schreckliche Verletzungen und andere schi e nen unerträgliche geistige Erschütterungen aushalten zu müssen. Mit Sicherheit war das alles schmerzlich.
Ein gemein aussehender Mann, mit einer schwarzen Maske, kam heran. Er trug eine Peitsche. »Ich kann mich nicht erinnern, weit e re drei Schauspieler bestellt zu haben«, sagte er barsch. »Seid ihr sicher, daß ihr hier richtig seid?«
»Wir sind nur auf der Durchreise«, entgegnete Ivy schnell.
»Also, in Kürze kommt ein wirklich böser Traum, mit einer gr o ßen Besetzung«, sagte der Kerkermeister. »Vielleicht sollten wir euch doch einsetzen. Könnt ihr gut schreien?«
»Ich bin Prinz Dolph«, sagte Dolph. »Ich…«
»Oh, warum hast du das nicht gleich gesagt! Du reist natürlich nur umher! Was möchtest du gerne sehen?«
»Den schnellsten Weg zur Bischofs Storchenfurt«, antwortete Ivy.
Der Kerkermeister kratzte seinen haarigen Schädel. »Unsere ä u ßerste Grenze bildet ein breiter Fluß mit mehreren guten Furten, aber an diese bestimmte kann ich mich nicht erinnern. Ich kann euch auf jeden Fall zum Fluß bringen.«
»Das ist gut«, sagte Ivy.
Sie folgten dem Kerkermeister durch das Verlies. Ivy versuchte, ihre Augen von dem Schrecken abzuwenden, damit er ihr keine bösen Träume bescherte, die sie später hierher zurückbringen würden. Aber es war unmöglich, über all dies hinwegzusehen. Ein Stöhnen erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie entdeckte jemanden mit einer blutenden Stichwunde. Das Messer steckte noch so darin, daß beim Herausziehen der doppelte Schmerz verursacht werden würde. Ein Seufzer verleitete sie dazu, zur anderen Seite zu bli c ken. Dort war ein ansonsten schönes Mädchen, deren Haare we g gebrannt waren. Ihre bloße Kopfhaut war mit unzähligen Blasen bedeckt. Ivy wußte, daß sie alle Schauspieler waren, die die Szene lediglich darstellten, damit die furchtbaren Erscheinungen von den Alpträumen nur abgerufen zu werden brauchten. Aber es war so realistisch, daß es ihr dennoch den Magen umdrehte.
»Ich will nie wieder träumen!« wisperte Dolph.
»Ich glaube, ich sah etwas Ähnliches einmal in einem Horro r film«, meinte Grey.
»Wurdest du in Mundania gefoltert?« fragte Ivy
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