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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sie.»Ich bin unzureichend gekleidet, während Sie in Ihrer Schuluniform ja fast ersticken. Ah, Ihre Füße sind nackt. Immerhin etwas.« Zwischen ihnen erschien ein Tablett, dargereicht von einem skelettmaskierten Diener. Madame d’Ortolan wedelte ermutigend mit der Hand, und Oh nahm sich ein kugelförmiges Glas, zwischen dessen äußerer und innerer Wand mehrere winzige Fische schwammen, während das Getränk selbst warm und stark gewürzt war. »Ich bin die Opernversion eines Sklavenmädchens.« Mit gespreizten Armen blickte sie an sich hinab. »Wie finden Sie mich?«
    »Äußerst spektakulär.«
    Sie umfasste die diamantenbesetzten Brüste mit ihren Händen. »Vor allem die hier gefallen mir.«

    »Ich kann mir vorstellen, dass es allen anderen genauso geht, Madame.«
    Sie setzte ein tadelndes Lächeln auf. »Mr. Oh - Temudschin, wenn Sie gestatten -, Sie klingen ja wie ein alter Mann.« Sie wies mit dem Kinn auf das Kugelglas. »Trinken Sie. Sie haben es dringend nötig.«
    Er tat wie geheißen.
    Oh wunderte sich über Madame d’Ortolans erstaunlich jungen und lebhaften neuen Körper. Allgemein galt die Auffassung, dass jeder Mensch mit einer bestimmten Statur aufwuchs und sich an sie gewöhnte und dass eine zu starke Abweichung von dieser Richtschnur beim Springen - oder gar bei einer Wiederverkörperung wie in Madame d’Ortolans Fall - schwer zu realisieren und nur mit großen Mühen aufrechtzuerhalten war, besonders über einen längeren Zeitraum.
    Von seinen eigenen Wechseln wusste er, dass er meist in unauffälligen, mittelgroßen Körpern landete, wenn er es nicht ganz bewusst auf etwas anderes anlegte. Sein eigener Körper hingegen, der immer in Calbefraques in dem Haus oben am Hang mit Blick auf die Stadt Flesse zurückblieb, war größer, besser proportioniert und insgesamt attraktiver als jene, zu denen es ihn im Rahmen seiner Aufträge für den Konzern auf ganz natürliche Weise hinzog.
    Selbstverständlich war es bei seiner Arbeit ein Vorteil, sich in schlichten, farblosen Formen zu präsentieren, da es ihm auf diese Weise leichter fiel, ohne Aufsehen in alle möglichen Situationen und Welten einzutauchen und wieder zu verschwinden. Trotzdem war es ihm noch immer ein Rätsel, weshalb er stets in diese kleinen grauen Gestalten wechselte, ohne es eigentlich zu wollen. Vielleicht war dies die bevorzugte Psychologie tief in seinem Innersten.
Einen Grund dafür hätte er jedoch nicht nennen können.
    Angeblich war für Personen mit transsexuellen Neigungen der Sprung in einen völlig anderen Körper als den eigenen eine echte Wohltat, die fast schon an Heilung grenzte.
    Madame d’Ortolan war immer eine leicht füllige, wenngleich elegant zurechtgemachte Dame gewesen, wenn man den Gerüchten und den Fotoaufzeichnungen des Konzerns glauben konnte. Die Wahl des Körpers, den sie gerade so schwelgerisch vor ihm zur Schau stellte, zeigte, dass sie bereit war, große Opfer im Hinblick auf ihr zukünftiges Wohlergehen zu bringen - sie nahm das sprichwörtliche Empfinden in Kauf, sich nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen-, um so auszusehen, wie sie es sich offenbar wünschte. Das deutete auf eine Zielstrebigkeit und Entschlossenheit, die viele wohl bewundernswert fanden, überlegte Oh, aber auch auf eine Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst, die nicht unbedingt für eine gesunde, ungetrübte Persönlichkeit sprach.
    Sie vollführte eine ausladende Geste mit dem Arm. »Was halten Sie von dem Fest?«
    Betont aufmerksam ließ er den Blick schweifen. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, antwortete er schließlich wahrheitsgemäß. »Ich kann mir nicht vorstellen, was das gekostet hat. Und wie lang die Vorbereitungen gedauert haben.«
    »Ein Vermögen.« Sie lächelte breit. »Und eine Ewigkeit!« Sie fasste nach einem Mundstück, das über einen Schlauch mit einer riesigen Wasserpfeife verbunden war. Diese stand in einigen Metern Entfernung unter der sorgsamen Obhut eines weiteren Skelettdieners. Sie nahm einen leichten
Zug und reichte ihm den Schlauch weiter. »Aber ganz, ganz vorsichtig.« Schelmisch legte sie ihm eine ringschwere Hand aufs Knie und ließ sie dort. »Es ist furchtbar stark.«
    Oh setzte die Lippen an das Mundstück. Es war noch ein wenig feucht von ihr. Er sog rosig grauen Rauch ein, der nach einer bunten Mischung verschiedener Drogen roch und schmeckte. Er ließ die Dämpfe nur bis zum Eingang der Lunge gelangen und blies sie gleich wieder kunstvoll aus, um nicht zu high zu werden. Er

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