Welten - Roman
ist über jeden Verdacht erhaben.«
»Das haben Sie nicht gesagt, außerdem ist niemand über jeden Verdacht erhaben.«
»Dann darf ich es anders ausdrücken. Ich habe vollstes Vertrauen in seine Loyalität und Diskretion.«
»Würden Sie mit Ihrem Leben für ihn einstehen?«
Mr. Kleist zögerte. »So weit würde ich für niemanden gehen, Madame. Wie Sie so richtig bemerkt haben: Niemand ist über jeden Verdacht erhaben.«
»Hmm. Die Liste also, die Leute darauf.«
»Wir beobachten sie so genau wie nur möglich und warten auf unsere Chance, aber es ist nicht leicht und auch nicht vielversprechend. Obliq und Plyte sind spurlos verschwunden, und die anderen sind entweder schwer erreichbar oder stehen so sehr im öffentlichen Geschehen, dass wir nicht zuschlagen können. Die betreffenden Einheiten sind immer noch einsatzbereit und können jederzeit auf Ihren Befehl hin tätig werden, sobald wir freie Bahn haben.« Er machte eine Pause. »Allerdings haben wir den
Vorteil der Überraschung und Gleichzeitigkeit verloren. Wenn wir einen zur Strecke bringen, werden die anderen noch misstrauischer werden und schwerer zu fassen sein.«
Madame d’Ortolan nickte vor sich hin und holte tief Luft. »Bisher ist das ganz anders gelaufen, als von uns beabsichtigt.«
»In der Tat, Madame.«
Eine Weile blieb sie stumm. Irgendwo oben gurrte ein Vogel, und Flügel rauschten. Manchmal wenn ein Vogel in der Voliere krank oder verletzt war und auf dem Boden herumhüpfte, weil er nicht mehr fliegen konnte, ließ Madame d’Ortolan die Katzen herein, um das Geschöpf zu beseitigen. Sie hatte immer Freude an dem Trubel, der dabei entstand, wenn er meistens auch nicht lange dauerte. Schließlich drehte sie sich auf ihrem Stuhl nach hinten. »Was würden Sie tun, Mr. Kleist? Wenn Sie an meiner Stelle wären?«
Seine Antwort kam ohne Zögern. »Wir kämpfen an zwei Fronten gleichzeitig, Madame. Das ist nicht durchzuhalten. Ich würde die Maßnahmen gegen die Ratsmitglieder auf unbestimmte Zeit verschieben und bis auf die grundlegenden Spüreinheiten alle Kräfte abziehen. Werfen Sie alles gegen Oh. Er ist die größere Bedrohung.«
Madame d’Ortolan kniff die Augen zusammen. »Mr. Kleist, ich habe jahrzehntelang daran gearbeitet, mit dem Zentralrat an diesen Punkt zu gelangen. Wenn wir jetzt nicht handeln, laufen wir Gefahr, dass seine Mitglieder die schädlichen Grundsätze genehmigen, die diese Mulverhill offenbar zehn Jahre lang einer ganzen hohlköpfigen Generation von Studenten, Technikern und Agenten eingetrichtert hat. Es gibt schon viel zu viele kleine Mulverhills, und ihr Einfluss wird immer stärker. Ich kann sie nicht
ewig von allen einflussreichen Positionen fernhalten. Wir müssen sofort aktiv werden, weil wir später vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu haben.«
Kleist gab sich unbeeindruckt. »Madame, ich glaube, dass der geeignete Moment fürs Erste vorüber ist. Möglicherweise bietet sich bald wieder eine Chance. Im Augenblick hat niemand Beweise dafür, dass die Maßnahmen gegen die anderen Ratsmitglieder von Ihnen ausgegangen sind, und niemand scheint es zu wagen, offen über diese Frage zu spekulieren. Damit haben wir hier eine stabile Front. Mr. Oh hingegen stellt vor allem, wenn er mit dieser Mulverhill verbündet ist, eine unmittelbare und dynamische Bedrohung dar. Sobald wir mit ihm fertig sind, können wir es außerdem so aussehen lassen, als hätten er und die Mulverhill die Anschläge gegen die Ratsmitglieder verübt.«
Madame d’Ortolan lehnte sich wieder nach vorn und stieß ein langes Seufzen aus. »So traurig und ärgerlich es ist«, sagte sie mit leiser Stimme, »aber ich glaube, Sie haben Recht.«
Mr. Kleist schwieg, sein Ausdruck blieb unverändert. »Soll ich die entsprechenden Befehle herausgeben?«
»Bitte tun Sie das.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Mr. Kleist?«
Er drehte sich um. »Madame?«
Madame d’Ortolan schaute ihn erneut an. »Ich nehme diese Sache sehr persönlich und bin äußerst ungehalten. Ich erwarte, dass Mr. Oh dafür bezahlt. Wenn er erst einmal seinen Zweck erfüllt hat, werde ich Sie vielleicht bitten, mich in einigen Techniken Ihres früheren Berufs zu unterweisen, damit ich sie gegen ihn verwenden kann. Und gegen die Mulverhill natürlich auch. Ich hege nicht den
geringsten Zweifel, dass sie dabei ihre Hände im Spiel hatte.«
Mr. Kleist verneigte sich leicht. »Ganz zu Ihren Diensten, Madame.«
Ein leises Lächeln spielte um Madame d’Ortolans Lippen. Ein
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