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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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die wohlige Wärme meines Betts drang kalte Luft.Was ging da vor sich?
    Plötzlich berührte eine Hand meine Hüfte. Zuerst schienen mich die Finger zu stupsen, dann packten sie den Stoff meines Schlafanzugs, als wollten sie ihn hochzerren. Warum machte dieser Mensch das überhaupt? Glaubte er, dass ich ein Nachthemd anhatte? Noch immer öffnete ich die Augen nicht, um diesen inkompetenten Pfleger nicht zu beschämen - das Klinikpersonal sollte man sich immer gewogen halten. Die Hand gab den vergeblichen Versuch auf, meine Schlafanzughose nach oben zu ziehen, und tastete stattdessen nach meiner Männlichkeit, ehe sie nach unten fasste und sich um meine Hoden schloss!
    Unmittelbar nachdem die Lampe erlosch, schlug ich die Augen auf. Es war überhaupt nicht Nachmittag. Es war völlig dunkel: später Abend oder sogar Nacht. Ich fühlte mich verwirrt und orientierungslos. Sogleich zog sich die Hand von meinen Genitalien zurück, und die schattenhafte Gestalt an meinem Bett fuhr mit einem bestürzten Ächzen auf und war verschwunden, ehe ich etwas von ihr erkennen konnte. Die Tür blieb sperrangelweit offen, während sie auf dem Gang davoneilte. Pantoffeln. Nach dem Klang zu urteilen, trug die Person Pantoffeln und konnte nicht sehr
schnell laufen. Ich überlegte, ob ich aufstehen sollte, um sie zu verfolgen, aber das hätte zu lange gedauert.
    Also rief ich um Hilfe.
    Aber die Dreistigkeit, die Unverschämtheit, die gemeine Schamlosigkeit!
    Ist es wirklich so weit mit mir gekommen, dass ich nur noch das sexuelle Spielzeug eines sabbernden, geistig umnachteten Insassen einer Irrenanstalt bin? Was für eine Schande. Bei meiner Vergangenheit, meinen Leistungen, meinem Status und meiner noch immer - ich schwöre es - unerfüllten Verheißung!

DER PHILOSOPH
    Nur ein einziges Mal habe ich mir eine nicht ganz regelkonforme Intervention gestattet. Ich machte meinen höheren Rang geltend, um einen Gefangenen zu übernehmen, der eigentlich einem anderen Beamten zugeteilt worden war. Für uns war er strenggenommen nur der Gefangene 47767, doch ich hatte seine Personenangaben im Computersystem gesehen, und das hatte meine Neugier geweckt. Zum Teil war es ihm zu verdanken, dass ich mich nach dem Militär beim polizeilichen Sicherheitsdienst beworben hatte. Für mich und viele anderen Menschen war er eine Art Held. Wie war er jetzt in unsere Mühlen geraten?
    Seine Fallakte sprach von einem Angriff auf eine prominente Person und vom Verdacht auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe oder einer ähnlichen Organisation. Der zweite Teil der Anschuldigung bedeutete praktisch nichts. Das Gesetz bezüglich »ähnlicher Organisationen«
und der Verbindung zu terroristischen Gruppen war derart weit gefasst - so hatte es irgendein Schlaukopf in unserem Amt einmal formuliert -, dass es sich genau genommen auch auf uns selbst erstreckte.Vorwürfe dieser Art wurden erhoben, wenn man keine konkreten Beweise hatte, den Betreffenden aber wegen eines allgemeinen Verdachts nicht auf freien Fuß setzen wollte.
    Der Gefangene 47767 war vor zehn Jahren bei der Polizei gewesen, als die terroristischen Umtriebe gerade zu einer ernsten Bedrohung wurden. Seine Einheit hatte zwei Terroristen gefasst, die in mehreren Abfalleimern an belebten Orten wie Bahnhöfen und Bushaltestellen Bomben deponiert und dabei einige Menschen getötet und Dutzende verletzt hatten. Aufgrund einer Kommunikationspanne innerhalb der terroristischen Zelle wurden die Warnungen versendet, noch bevor alle Bomben gelegt waren. Ein geistesgegenwärtiger Beamter schickte die Polizei zu den betreffenden Orten, und die beiden Männer wurden festgenommen, allerdings erst nachdem sie mindestens eine weitere Bombe versteckt hatten, die in der Warnung nicht erwähnt worden war.
    Die Verdächtigen wurden getrennt, und einer von ihnen auf konventionelle Weise verhört. Der andere wurde dem Polizeibeamten zugeteilt, der jetzt Gefangener 47 767 war, und von diesem auf energischere Weise befragt. Daraufhin verriet er das Versteck der letzten Bombe. Die sofort ausgesandten Polizisten konnten die Gegend evakuieren, so dass niemand zu Schaden kam, als der Sprengsatz eine Viertelstunde später detonierte. Es war einer der wenigen uneingeschränkten Erfolge in der Anfangszeit der Terrorismusbekämpfung.
    Die Identität des Beamten, der später zu unserem Gefangenen
47 767 werden sollte, wurde von der Presse enthüllt, und er wurde sowohl von den Zeitungen als auch von der breiten Öffentlichkeit

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