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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Lächeln wie eine Papierschnittwunde, dachte er wieder einmal. Wie immer beschwor das Bild Erinnerungen an den Geruch von Zitronen und längst verklungene Schreie herauf. Sie winkte. »Danke, das wäre alles.«
    Nachdem er zwei Schritte gemacht hatte, hörte er erneut ihre Stimme. »Mr. Kleist?«
    Abermals drehte er sich mit unbewegtem Gesicht zu ihr um. »Ja, Madame?«
    Die Vögel hatten sich für die Nacht niedergelassen und waren jetzt fast still.
    »Wie wurden Sie früher noch einmal genannt? Der Moralist?«
    »Der Philosoph, Madame.«
    »Ach ja. Und, war es angenehm, Ihren alten Beruf wiederaufzunehmen?«
    Er blickte sie an. »Nun, Madame. Wir hatten ja kaum begonnen.« Er zögerte. »Doch um Ihre Frage zu beantworten: nein, nicht besonders.« Damit verbeugte er sich und zog sich zurück.

DER ANBIETER
    Nach einer weiteren erfolglosen Präsentation sitzt Mike Esteros an der Bar des Commodore Hotel in Venice Beach. Streng genommen weiß er noch nichts davon, dass sie
erfolglos war, aber inzwischen hat er einen Riecher dafür und würde darauf wetten, dass sein Angebot wieder abgelehnt wird. Allmählich deprimiert es ihn. Er ist noch immer überzeugt von der Idee und davon, dass sie eines Tages umgesetzt wird, außerdem weiß er, dass es in diesem Geschäft vor allem auf die Einstellung ankommt, deswegen muss er optimistisch bleiben. Wenn er selbst nicht an sich glaubt, wer soll es dann tun?
    Trotzdem.
    In der Bar ist es ruhig. Normalerweise würde er um diese Tageszeit nichts trinken. Vielleicht muss er die Handlung ein bisschen anpassen, sie familienfreundlicher gestalten. Sich auf den Jungen konzentrieren, auf die Vater-Sohn-Sache, damit es gefühliger wird. Ein bisschen Schmalz hat noch nie geschadet. Na ja, nicht wirklich. Vielleicht hat er einfach zu sehr auf die Grundidee gebaut in der Annahme, dass doch alle genau wie er sofort erkennen müssen, was das für eine unglaublich elegante Geschichte ist, und dass sie sich überschlagen werden, um ihm grünes Licht und haufenweise Geld zu geben.
    Nicht zu vergessen Goldmans Gesetz: Niemand weiß etwas. Genauer gesagt, niemand weiß, was ankommen wird. Deswegen gibt es so oft ein Remake und einen Teil Zwei. Was nach fehlender Fantasie aussieht, ist genau das Gegenteil, weil sich die Manager immer vorstellen, was bei einer brandneuen, unerprobten Idee alles schiefgehen könnte. Daher ist es nicht schlecht, ein paar Elemente einzufügen, die in der Vergangenheit auf jeden Fall funktioniert haben, um zumindest einen Teil dieser schrecklichen Unsicherheit zu beseitigen.
    Mike hat da eine ziemlich radikale, abseitige Idee. Das zentrale Konzept ist fast schon zu originell. Deswegen muss
eine ordentliche Portion Konventionalität darübergegossen werden. Ja, er wird es noch mal umschreiben. Diese Aussicht erfüllt ihn nicht unbedingt mit Freude, aber er schätzt, dass es sein muss, wenn er etwas erreichen will. Die Sache lohnt sich. Er glaubt noch immer daran. Sicher, es ist nur ein Traum, aber ein Traum, der wahr werden könnte. Und hier ist schließlich der Ort, wo Träume - nicht nur von einer Idee, sondern von Erfolg und Reichtum - in Erfüllung gehen. Noch immer liebt er diesen Ort und glaubt an ihn.
    Mike verlässt die Bar und setzt sich draußen auf eine Bank, um das Meer zu sehen und die Leute auf dem Asphaltstreifen und dem Strand beim Bladen, Skateboarden, Frisbeespielen oder einfach nur beim Spazieren zu beobachten.
    Eine Frau nähert sich und nimmt bei ihm auf der Bank Platz. Ungefähr in Mikes Alter. Er spricht sie an. Sie ist hübsch und freundlich und klug. Langgliedrig, dunkle Haare, sympathisches Lachen. Genau sein Typ. Eine Anwältin, die an einem freien Tag ausspannt. Monica. Er fragt, ob sie was trinken will, und sie antwortet, vielleicht einen Kräutertee, und sie setzen sich in ein kleines Café in Sichtweite des Strands. Dann gehen sie zum Abendessen in ein vietnamesisches Restaurant gleich in der Nähe. Mike erzählt ihr von seinem Angebot, weil sie sich wirklich dafür interessiert. Sie hält es für eine super Idee und scheint sogar richtig darüber nachzudenken.
    Später schlendern sie im Schein des Halbmonds über den Strand und lassen sich im Sand nieder. Es folgen ein paar Küsse und vorsichtiges Gefummel, obwohl sie ihm bereits eröffnet hat, dass sie bei einem ersten Treffen nicht weiter geht. Er sieht das genauso, gibt er ihr zu verstehen,
was eigentlich Unsinn ist. Vermutlich durchschaut sie das, aber es ist ihr egal.
    Dann mitten in

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