Welten - Roman
einem eng umschlungenen Kuss verändert sich etwas. Er spürt, wie es passiert, und als er die Augen öffnet, ist der Mond verschwunden, und die Luft wirkt kühler. Der Strand sieht schmaler und steiler aus und führt hinunter zu einem Meer, das viel ruhiger ist als das, das noch vor wenigen Sekunden da war. Draußen unter den Sternen zeichnen sich als dunkle Formen baumbewachsene Inseln ab. Kopfschüttelnd schaut er Monica an. Auch sie hat sich völlig verwandelt. Helle Haut, blond, kleiner, ganz anderes Gesicht. Drei Meter entfernt stehen zwei baumlange Kerle - die einzigen Leute am Strand außer ihnen - und beobachten sie.
Sie klopft sich die Hände ab und steht auf, um zu den zwei Männern zu treten. »Mr. Esteros, willkommen in Ihrer neuen Heimat.«
ELF
PATIENT 8262
Jemand hat sich an mir vergangen! Meine schlimmsten Alpträume sind wahr geworden. Nun, vielleicht nicht die schlimmsten, aber auf jeden Fall ziemlich üble. In meinem eigenen Bett befummelt, begrapscht und belästigt! Zum Glück kam ich rechtzeitig zu mir und konnte mich zur Wehr setzen und um Hilfe schreien. Aber trotzdem.
Es war früher Nachmittag, eine Stunde nach dem Mittagessen, und ich befand mich in einem Zustand, in dem ich inzwischen meistens verharre, weder wach noch schlafend, die Augen geschlossen, mit halbem Ohr lauschend und tief in Gedanken versunken. Ich hörte, wie jemand mein Zimmer betrat, und obwohl ich nicht bemerkte, dass die Tür geschlossen wurde, fiel mir auf, dass die Geräusche aus der Klinik schwächer wurden. Das hätte mich eigentlich beunruhigen müssen, doch wahrscheinlich habe ich mich einfach zu sicher gefühlt.
Seit dem bizarren Kauderwelschgespräch habe ich mich weniger auf den Gängen und in den Aufenthaltsräumen der Anstalt herumgetrieben, sondern mehr Zeit im Bett verbracht. Ich hatte den Eindruck, dass mir die anderen Patienten und Insassen seltsame Blicke zuwarfen, und einige setzten sogar zu einer Unterhaltung mit mir an, die verdächtig nach diesem Kauderwelsch klang, oft mit einem breiten Grinsen im Gesicht, das wohl heißen sollte, dass sie den Witz begriffen hatten und sich nun ebenfalls über mich lustig machen wollten. Ich wandte mich also immer ab und entfernte mich in möglichst würdevoller Haltung.
Als vor zwei Tagen der Dicke in mein Zimmer kam - der, der den Mageren angeschleppt hatte, als ich Wörter erfand -, versteckte ich mich unter dem Bettzeug und wickelte mir das Kissen um den Kopf. Mit sanfter Stimme redete er auf mich ein, wahrscheinlich um mich herauszulocken, aber ich blieb eisern. Als er die Decke hochhob, um einen Blick in mein improvisiertes Zelt zu werfen, klopfte ich ihm fauchend auf die Hand. Er stieß einen dieser vor allem für die Öffentlichkeit gedachten Theaterseufzer aus und verschwand kurz darauf.
Die Pfleger und Schwestern kümmern sich nach wie vor um mich. Jeden Morgen muss ich aufstehen und mich neben das Bett setzen, und ein- oder zweimal haben sie sogar darauf bestanden, dass ich sie zu einem Spaziergang auf dem Korridor begleite. Nur in den Aufenthaltsraum setze ich keinen Fuß. Sie scheinen zufrieden, dass ich noch mobil bin. Wahrscheinlich schlurfe ich inzwischen etwas stärker, aber das gehört alles zu meiner Tarnung. Je kraftloser und stiller ich erscheine, desto mehr wirke ich wie ein beliebiger Patient. Ich passe besser ins Bild.
Gelegentlich schauen auch die Ärzte vorbei, und die Ärztin, die sich schon früher für mich interessiert hat, saß letzte Woche sogar eine halbe Stunde bei mir. Sie redete langsam mit mir - das meiste glaubte ich zu verstehen - und leuchtete mir mit hellen Lampen in die Augen.
Und heute plötzlich der Übergriff. Ich öffnete nicht die Augen, um zu erkennen, wer mein Zimmer betreten hatte. Doch ich merkte, wie sich die Bettdecke bewegte, und dachte, dass mich vielleicht ein Doktor untersuchen wollte, auch wenn die Person nicht roch wie ein Doktor. Aus dem gleichen Grund war es wahrscheinlich auch kein Pfleger, keine Reinigungskraft. Manchmal richten sie mich
her, wenn ich unordentlich gegessen habe oder irgendwie verdreht im Bett liege. Wenn ich hätte raten müssen, hätte ich auf einen anderen Patienten getippt, allerdings keinen von den übelriechenden. Der Betreffende, so hoffte ich einfältigerweise, würde schon von allein begreifen, dass ich schlief oder mich zumindest schlafend stellte und demnach in Ruhe gelassen werden wollte. Dann spürte ich, wie in der Nähe meiner Taille die Decke angehoben wurde. In
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