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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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öffnen sich ganz, und er blickt langsam zu mir auf, doch sein Ausdruck ist noch immer fast leer. In diesen Augen liegt kaum eine Spur von Intelligenz. »Hallo? Wie geht es Ihnen?« Mir fällt nichts Besseres ein.Verständnislos starrt er mich an und blinzelt mehrfach. Ich schnippe vor seinem Gesicht mit den Fingern. »Hallo?« Keine Reaktion.
    Ich nehme die Taschenlampe heraus und leuchte ihm in die Augen. Wahrscheinlich habe ich das den Ärzten abgeschaut. Zwinkernd wendet er sich ein wenig ab. Ganz langsam ziehen sich die Pupillen zusammen. Das hat wohl etwas zu bedeuten, aber ich weiß nicht, was. Ich höre auf, den Lampengriff zu drücken. Ächzend stoppt das Sirren, und der Strahl erlischt. Nach wenigen Sekunden schnarcht der Mann schon wieder.
    Ein anderer zufällig ausgewählter Patient auf halber Höhe der Bettreihe zeigt die gleichen Reaktionen. Gerade als ich die Taschenlampe ausgeschaltet habe und er wieder
eingeschlafen ist, höre ich Schritte im Gang. Schnell bücke ich mich und gehe in Deckung, da öffnet sich einer der Türflügel. Ich krieche unter das Bett und stoße mir an einer Metallstrebe den Kopf an. Nur mit Mühe kann ich einen Schrei unterdrücken. Ich höre, wie die Person die Station abschreitet, und bemerke ein hin und her huschendes schwaches Licht. Beine kommen in Sicht: weiße Schuhe und ein Rock. Ohne Zögern marschiert die Schwester an dem Bett vorbei, unter dem ich mich versteckt habe. Ich senke den Kopf, um sie zu beobachten. Auf dem Weg zum hinteren Ende der Station bleibt sie an zwei Betten stehen und schaltet jedes Mal ihre Taschenlampe an und aus. Dann macht sie kehrt und verharrt noch ein paar Momente beim Ausgang, ehe sie verschwindet und einen Türflügel hinter sich zufallen lässt, ohne dabei besonders leise zu sein.
    Mehrere Minuten warte ich ab, bis sich mein Herz wieder beruhigt hat. Tatsächlich habe ich mich so entspannt, dass ich vielleicht sogar ein wenig eingenickt bin. Allerdings bin ich mir nicht sicher. Dann schleiche ich hinaus. Ich schaffe es durch den Gang im Erdgeschoss und durchs Treppenhaus, ohne bemerkt zu werden, doch in meinem Zimmer brennt Licht. Als ich eintrete, treffe ich auf den diensthabenden Pfleger, der stirnrunzelnd mein Patientenblatt studiert. »Toilette«, erkläre ich. Er scheint nicht überzeugt, hilft mir aber ins Bett und breitet die Decke über mich.
    Als ich die Augen geschlossen habe, stelle ich mir die Station unten vor. Plötzlich fällt mir ein, was mir so komisch vorgekommen ist, was mich beunruhigt hat: die Einförmigkeit des Orts. Die Nachttische sahen alle völlig gleich aus. Es gab keine Karten mit Genesungswünschen, keine Blumen, keine Obstkörbe, nichts, was darauf schließen lässt,
dass ein Platz einem bestimmten Patienten zugeteilt ist. Ich kann mich an einen Wasserkrug und einen Plastikbecher auf jedem Nachttisch erinnern, aber das ist alles. Auch Stühle neben den Betten gab es nicht. Keinen einzigen Stuhl in der gesamten Station.
    Hüllen. Immer wieder komme ich auf diesen seltsam schillernden Begriff zurück. Wenn ich an die stumme Station und diese tief betäubten, fast komatösen Männer denke, schießt er mir unwillkürlich in den Sinn. Hüllen. Es sind Hüllen. Ich weiß nicht, warum mir das so viel bedeutet, doch anscheinend ist es so.
    Hüllen …

MADAME D’ORTOLAN
    »Aber Madame, ist das denn wirklich so schlimm?«
    Madame d’Ortolan schaute Professore Loscelles an, als hätte er den Verstand verloren. Die beiden waren in eine staubige Studienkabine hoch im Turm eines weniger beliebten Gebäudes der UPT gezwängt. Der Anbau war zwar in Sichtweite der Nebelkuppel, aber weit genug entfernt, um sicher zu sein, dass ihre Unterhaltung nicht mitgeschnitten wurde. »Jemand, der ohne Septus springt? «, rief sie erbost. »Das soll nicht schlimm sein?«
    »In der Tat.« Loscelles wedelte wild mit den Wurstfingern. »Sollten wir nicht vielmehr die Tatsache feiern, Madame, dass einer aus unseren Reihen möglicherweise entdeckt hat, wie man ohne Gebrauch der Droge von einer Welt zur anderen wechselt? Ist das nicht ein großer Durchbruch? Ein echter Fortschritt?«

    Madame d’Ortolan - deren makelloses cremefarbenes Twinset sich von Loscelles’ bukolischem Dreiteiler abhob wie ein unliniertes Notizbuch von Millimeterpapier - schien ernsthaft zu überlegen, ob sie den Professore durch das viel zu schmale Fenster des winzigen Studienraums stopfen sollte, damit er sechzig Meter in die Tiefe stürzte. »Loscelles.« Eisige

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