Welten - Roman
mir.«
Loscelles seufzte. »Was sollten wir also Ihrer Ansicht nach tun?«
»Wir müssen all unsere Waffen aufbieten«, antwortete sie unverblümt. »Er droht uns mit einem neuartigen Knüppel, aber wir haben auch ein paar ungewöhnliche Knüppel auf Lager.« Der Blick der Dame glitt zum Fenster. »Vor allem an einen habe ich da gedacht.« Sie beobachtete einige vorbeiziehende
Wolken am silbergrauen Himmel, ehe sie sich wieder dem Professore zuwandte. »Ich glaube, wir waren zu vorsichtig.Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass wir jetzt in Zugzwang sind. Ohne diese Entwicklung hätten wir vielleicht ewig gezaudert.« Sie lächelte gewinnend. »Jetzt jedoch legen wir die Handschuhe beiseite und fahren die Krallen aus.«
Das Stirnrunzeln des Professore wurde stärker. »Sie sprechen von einem Ihrer Spezialprojekte, sehe ich das richtig?«
»In der Tat.« Madame d’Ortolans Lächeln wurde noch breiter.Wieder streckte sie die Hand aus, und er zuckte fast unmerklich zusammen. Doch diesmal tätschelte sie ihm nur liebevoll die Wange wie einer Katze. »Und ich weiß, dass ich auf Ihre Unterstützung zählen kann, nicht wahr?«
»Würde es Sie abhalten, wenn es nicht so wäre?«
»Es würde mich davon abhalten, Sie auch weiterhin zu bewundern, Professore.« Das fröhliche Lachen in ihrer Stimme fand keinen Widerhall in ihrem Gesicht.
Loscelles sah ihr in die Augen. »Nun, Madame. Das könnte ich nicht ertragen. Außerdem würde ich dadurch vielleicht in die unerfreuliche Gesellschaft von Obliq, Plyte, Krijk und den anderen geraten. Es wird von … Beinaheunfällen berichtet, von ungewöhnlichen Vorkommnissen.«
Madame d’Ortolan nickte, und in ihrem Gesicht malte sich Betroffenheit. »In der Tat. Wir müssen alle vorsichtig sein.«
Loscelles lächelte matt. »Ich werde mich bemühen.«
Sie strahlte ihn an. »Ja, tun Sie das!«
DER WELTENWECHSLER
»Was tun wir? Wofür und wogegen sind wir? Wofür sind wir?«
»Das schon wieder? Ich habe das Gefühl, wenn ich sage, was alle anderen im Konzern von mir erwarten würden, wirst du mir erzählen, dass ich Unrecht habe.«
»Probier es doch.«
»Wir helfen den Gesellschaften in den vielen Welten, wir unterstützen die positiven, progressiven Kräfte und gehen gegen die negativen, regressiven vor.«
»Mit welchem Ziel?«
Er zuckte die Achseln. »Allgemeine Philanthropie. Nettsein macht Spaß.«
Sie saßen zusammen in der Badewanne und blickten über einen polierten Granitboden hinaus auf ein sternenbeschienenes Wolkenmeer. Mit der hohlen Hand ließ sie sich etwas warmes Wasser und Schaum über die linke Schulter und die obere Brust rieseln, dann wiederholte sie das Ganze auf der rechten Seite. Tem beobachtete die gleitenden Seifenblasen. Selbst hier trug Mrs. Mulverhill ein weißes Hütchen in der Form eines Schneehaufens und einen getupften weißen Schleier. »Wie definieren wir die unterschiedlichen Kräfte?«, fragte sie.
»Die Bösen bringen gern Leute um, am besten gleich haufenweise. Bei den Guten ist das anders; sie begeistern sich dafür, wenn die Kindersterblichkeit sinkt und die Lebenserwartung steigt. Die Bösen sagen den anderen, was sie tun sollen, die Guten ermuntern die Menschen zu eigenen Entscheidungen. Die Bösen behalten den Reichtum und die Macht am liebsten für sich und ihre Kumpane, die Guten wollen Geld und Macht gleichmäßig verteilen,
abhängig von der Sache mit den eigenen Entscheidungen.«
In dieser Welt hatte es einmal einen Weltenkaiser gegeben. Er hatte diesen Palast errichten und dafür den Gipfel eines Berges einebnen lassen, der unter verschiedenen Namen bekannt war: Sagarmatha, Chomolungma, Peak XV und Mount Everest (neben Victoria, Alexander, Gandhi, Mao und vielen weiteren Bezeichnungen). Der riesige Palast war von Glaskuppeln eingefasst, in denen die klimatischen Bedingungen einer Tropeninsel herrschten. Doch nach einer Katastrophe, die von einem Gammastrahlenausbruch in - gemessen an kosmischen Dimensionen - relativer Nähe ausgelöst wurde, war diese Welt menschenleer und in einen Äonen währenden Prozess eingetreten, bei dem nach und nach alle lebenswichtigen Vorgänge wie die Kohlenstoffspeicherung und sogar die Plattentektonik zum Erliegen kamen.
Der Konzern hatte diese Welt einige Jahre nach der Katastrophe entdeckt und den Palast restauriert. Er wurde zu einem Ferienort für ausgewählte Beamten der Expédience. Mrs. Mulverhill, die inzwischen anscheinend überallhin gelangte, solange sie dem Konzern nicht in
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