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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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will. Ah, es sind alternative Bahnen, verschiedene Zukünfte, die ahrscheinlichste klar und deutlich, die weniger wahrscheinlichen immer nebelhafter, bis nur noch sinnloses Flimmern übrig bleibt. Nacheinander gehe ich sie alle durch. Die Mitglieder der beiden Teams, die den Palast durchkämmen, bewegen sich jetzt ganz langsam, was mir natürlich recht ist. Trotzdem ist Ms. Tobbing schon fast an der Tür. Ich höre ein langsames, dumpfes Krachen aus dem, was ich vielleicht als physische Realität bezeichnen sollte. Einer ihrer Schritte wohl. Der Hall des vorangegangenen ist noch nicht verklungen.
    Sorgfältig überlegend und vergleichend, erkenne ich, was ich tun muss. Es ist ein wenig problematisch, aber ich sehe keine humanere Alternative.
    Ich drehe den Stuhl zur offenen Tür, lehne mich zurück und nehme die Hände hoch.

    Mit gespreizten und leicht gebeugten Beinen wirbelt Ms. Tobbing um den Türrahmen, die Waffe angelegt. Dunkelblauer Hosenanzug, das Haar hochgebunden. Mehr nehme ich nicht wahr, dann streckt sie mich mit dem Taser nieder, und ich lande zuckend auf dem Boden. Es ist qualvoller, als ich vermutet hätte. Fast bedaure ich, ausgerechnet diesen Weg durch die Zukünfte gewählt zu haben, doch die anderen sind noch blutiger. Nicht dass ich Dankbarkeit erwarte.
    Als Ms.Tobbing mit mir fertig ist, trifft der Rest der Truppe ein, und Dr. Jildeep persönlich verabreicht mir mit der Spritze ein Beruhigungsmittel. Bestimmt haben sie auch erwogen, etwas gegen die Wechselfähigkeit hineinzumischen, doch diese Drogen können bleibende Schäden hervorrufen, und sie brauchen mich unversehrt.
    Moment. Dieser Weg führt dazu, dass ich die meisten von ihnen töte. Eine andere Gruppe von Zukünften schießt mir in den Sinn.Vorhin konnte ich diesen Bereich nicht richtig erkennen, aber jetzt ist er näher gerückt und hat klare Konturen gewonnen. Ich mag kaum glauben, dass ich dazu in der Lage sein soll. Wirklich? Die Sache droht mir zu entgleiten, ich muss mich schnell entscheiden. Wenn ich es einfach so durchdenke -
    Mit gespreizten und leicht gebeugten Beinen wirbelt Ms. Tobbing um den Türrahmen, die Waffe angelegt. Dunkelblauer Hosenanzug, das Haar hochgebunden. Headset. Elegante blaue Bluse. Mehr nehme ich nicht wahr, dann feuert sie mit dem Taser auf mich. Die fünf Sekunden und meine röntgenscharfe Sicht habe ich genutzt, um eine Rolle Alufolie aus einer Schublade zu nehmen. Ich spüre den Einschlag der zwei kleinen Widerhaken, deren Flugbahn ich genau kenne, und die Elektrizität entlädt sich harmlos in der Folie. Meine andere Hand ist in ein Geschirrtuch aus
derselben Schublade gewickelt. Mit ihr reiße ich fest an den Drähten, die die Widerhaken mit der Pistole verbindet, und zerre die noch nicht einmal überraschte Ms. Tobbing zu mir heran, bevor sie den Taser loslassen kann.
    Nun wird sich herausstellen, ob diese Geschichte mit den Zukunftswegen funktioniert oder nicht. Nach dem, was ich gerade visualisiert habe, müsste alles ganz problem los laufen.
    Ich fasse Ms. Tobbing am rechten Handgelenk.
    Plötzlich niese ich explosionsartig.
    Mein altes Selbst starrt mich verständnislos an.
    Hmm. Eine meiner attraktiveren Inkarnationen. Allerdings im Moment gerade mit ein wenig Rotz an der Nase. Doch nicht einmal ein »Gesundheit« folgt.
    Ich lasse den Abzug des Tasers los, damit er nicht mehr nutzlos in die Alurolle feuert. Diese liegt inzwischen auf dem Boden, wo ich - er - gerade noch stand. Ich zerre seine Finger von meinem Handgelenk. Nach einem vagen Lächeln schüttelt er den Kopf und fängt mit völlig veränderter Miene an zu reden. Slowenisch, wie ich glaube. (Ich kann Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Mandarin.) Ich knalle ihm die Waffe ans Kinn und schließe die Küchentür, während er noch zurücktaumelt.
    »Tobbing«, melde ich per Funk, als ich in den Gang trete. Ich lasse die leere Taserkartusche fallen und grabe eine neue aus der Tasche, um sie einzulegen. »Gerade einen unbekannten Zivilisten in der Küche niedergestreckt.«
    »Zivilist? Bist du sicher?«, kommt Jildeeps Gegenfrage. »Eigentlich dürfte hier niemand sein.«
    »Doch, ich bin sicher.«
    »Bist du noch bei ihm?«
    »Nein, ich bin unterwegs …«

    »Bleib bei ihm. Bleib - geh zurück zu ihm!«
    »Ach, vergiss es«, murmele ich.
    Niesen.
    Nein, wieder kein »Gesundheit«.
    Genauso wie vorhin, bloß dass ich diesmal das Funkgerät nicht benutze, sondern einfach nur durch den Gang trabe. Von irgendwo kommt die

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