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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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quäkende Meldung, dass jemand einen Taser gehört hat, aber ich behaupte, nichts mitgekriegt zu haben. Eine Frau zu sein ist interessant. Die Bewegungen fühlen sich anders an: die breiteren Hüften wahrscheinlich und die Gewichtsverteilung. Die Brüste wippen ganz leicht mit jedem Schritt, sind aber fest umfasst. Sport-BH.
    Zwei Ecken und zwei Korridore später bin ich am Eingang zur Anlegestelle und spähe durch einen Türspalt. Ich erkenne Gongova und einen Hemmer - einen schmächtigen Kerl, der mit konzentrierter Intensität eine Zigarette raucht. Ich schieße mit dem Taser auf ihn, und er fällt neben der festgemachten Barkasse ins Wasser. Gongova fährt herum und greift nach der Waffe in ihrer Jacke, doch dann entspannt sie sich und steht gelassen da. Die Pistole in ihrer Hand zielt auf die Bohlen der Anlegestelle. Wenn Jildeep eintrifft, um zu sehen, was vorgefallen ist, wird sie ihm in den Unterleib schießen, weil er sie mit Tobbing betrogen hat (das ist wahr, daher muss ich nicht viel dazutun). Danach wird sie sich entsetzt über ihre Tat hinhocken und vor sich hin schluchzen, bis alles vorbei ist. Das heißt, in geschätzt zweieinhalb Minuten.
    In ungefähr einer Minute wird sich der schmächtige Hemmer aus dem Kanal schleppen, aber auch danach eine Weile seine Kräfte nicht verwenden können. Die von ihm bewachte Seite des Palasts ist also offen.

    Was ich hier mache, ist nach herkömmlicher Auffassung unmöglich. Man kann nicht in das Bewusstsein eines Menschen wechseln, der schon einmal selbst gesprungen ist, gleich, ob allein oder mit fremder Hilfe. Die Zielperson muss unwach sein. Solange sie in diesem Sinn unschuldig und jungfräulich ist, ist sie angreifbar; doch sobald sie auch nur einen einzigen Wechsel absolviert hat, und sei es nur, dass sie von jemand anders mitgenommen wurde, ist sie immun. Ausnahmen von dieser Regel sind bislang nicht vorgekommen, und sie ist so allgemein anerkannt, dass der Konzern nie daran gedacht hat, seine Agenten gegen eine solche Möglichkeit zu wappnen. Daher kann ich nun von Bewusstsein zu Bewusstsein springen und dort ungestraft das größte Unheil anrichten.
    Noch immer bin ich nicht dazu imstande, in eine gänzlich andere Realität zu wechseln und damit völlig zu verschwinden - zumindest nicht ohne einen unmittelbaren, starken Anreiz wie dem Folterstuhl, dem ich mich lieber nicht aussetzen möchte. Doch fürs Erste ist diese neue Fähigkeit kein schlechter Ersatz.
    Das heißt, ich bin nach wie vor auf Septus angewiesen, außer ich fühle mich sehr tapfer oder verzweifelt. Aber das dürfte kein Problem sein, weil diese Spezialeinheit bestimmt genug von der Droge dabeihat. Allerdings wäre mir das Zeug in der Kassette lieber, die Adrian aus London mitbringt, weil es Mrs. Mulverhills erlesene Variante ohne Spurenelemente ist, mit denen man den Springer mühelos verfolgen kann. Trotzdem werde ich den Vorrat der Agenten für alle Fälle an mich nehmen.
    Zwei Leute, die die oberen Stockwerke durchsuchen, merken gerade, dass sie sich seit Ewigkeiten lieben und schon viel zu viel Zeit ungenutzt haben verstreichen lassen.
Mitten auf einem Gang fallen sie übereinander her. Ein weiterer Agent betrachtet im Bad fasziniert sein Spiegelbild, als hätte er es noch nie gesehen. Ein anderer verliert sich in den Tiefen eines fabelhaft gemusterten Perserteppichs - eines Kaschans, wie ich annehme -, während wieder ein anderer sich entkleidet und vom Dach aus in den Canal Grande springt. Das beobachtet der Mann am Steuer der Barkasse auf dem Kanal und beschließt aus Liebe zur Welt, nie wieder einen Verbrennungsmotor zu benutzen. Er zieht den Schlüssel aus der Zündung und wirft ihn mit verträumtem Lächeln in die milchig grünen Wellen. Der zweite Bootsinsasse versinkt in tiefen, friedvollen Schlaf. Einer der Agenten, die die Calles bewachen, ist überzeugt, dass soeben sein seit Jahren toter Vater vorbeimarschiert ist, und rennt ihm nach. Die anderen befinden sich noch im Schutz des zweiten Hemmers, doch bevor Jildeep auch nur halbwegs ahnt, dass etwas schiefgelaufen ist, habe ich die Eingangshalle erreicht und auch ihn mit dem Taser niedergestreckt. Dr. Jildeep flieht durch einen engen Dienstbotengang - ob er oder der Hemmer, ist egal.
    Jetzt befinde ich mich in Jildeeps Bewusstsein und stelle etwas Unerfreuliches fest (abgesehen von der Tatsache, dass er mir entgegen seinen Anweisungen in die Beine schießen wollte). Keiner der Agenten hat Septus dabei, für den Fall, dass

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