Welten - Roman
einschläft.
Aber ich bin nicht geborgen in der Liebe meiner Eltern, und die Decke wird nicht zurechtgezogen, sondern auseinandergezerrt, um eindringen zu können.
Ich spüre eine tastende, spinnenhaft kriechende Hand, die auf der Höhe meiner Hüfte ins Bett und über meinen Körper gleitet. Meine Schlafanzughose wird berührt und erkundet, dann wird sanft an der Taillenschnur gezupft. Der Knoten gibt nicht nach, und das Zupfen wird fester, ungeduldig, aggressiv.
Dies alles nehme ich wahr wie an einem Bildschirm, nicht als etwas, das mir widerfährt, sondern als etwas, das jemand anderem an einem völlig anderen Ort zustößt. Die Empfindungen, die das Erlebnis begleiten - die Empfindungen, die das Erlebnis sind - werden durch eine Technologie oder Gabe zu mir übertragen, von der ich noch nie gehört habe. Ich bin getrennt vom Geschehen. Es passiert nicht wirklich, zumindest nicht mit mir. Ich muss nicht reagieren, muss nichts unternehmen, denn wozu wäre das gut? Ich bin ja nicht betroffen.
Nur dass es mich natürlich - was ein Teil meines Bewusstseins die ganze Zeit registriert und kreischend hinausgebrüllt hat - absolut betrifft.
Die Hand löst jetzt die Schleife an meiner Schlafanzughose und zieht sie brutal nach unten. Die Bewegungen sind jetzt gröber und dringlicher, bar aller Vorsicht. Anscheinend hat der Eindringling erkannt, dass ich tief betäubt bin und kaum aufwachen werde, um mich schreiend zur Wehr zu setzen. Außerdem ist da auch - schrecklich, schrecklich - etwas wie die unbesonnene Leidenschaft Liebender, die nicht mehr darauf warten können zueinanderzukommen, die sich mit zitternden Händen die Kleider vom Leib reißen, die einander unabsichtlich Blutergüsse zufügen, ohne es zu spüren, die stöhnen und schreien und Lärm machen, ohne darauf zu achten, ob es jemand hört, die sich völlig hingeben an etwas, das nicht mehr sie selbst ist, sondern etwas
zwischen ihnen, jenseits von ihnen. Ich glaube mich zu erinnern, selbst einmal so begehrt zu haben und begehrt worden zu sein. Und im Vergleich dazu ist das hier - diese einhändige Verstohlenheit, dieses rücksichtslos drängende, egoistische Fummeln - mickrig und läppisch.
Angesichts des Gegensatzes zwischen der wilden, ausgelassenen Leidenschaft mit ihrem innig geteilten Verlangen und diesem schäbigen, verschwitzten Grapschen und Drücken, würde ich am liebsten weinen. Tatsächlich glaube ich heiße Tränen in den Augen und auf meinen Wangen zu spüren. Wenigstens fühle ich also etwas, wenn ich schon nicht reagieren kann. Ist mir das lieber als vollkommene Bewusstlosigkeit, bis alles vorüber ist? Ist es besser, die Vergewaltigung zu erleben und zu wissen, dass sie geschehen ist, oder ist es besser, mit einem wunden Gefühl aufzuwachen, verwirrt und misstrauisch vielleicht, aber auch fähig, das Ganze abzutun und zu vergessen? Ich kann es nicht sagen. Außerdem habe ich offenbar sowieso keine Wahl, denn es widerfährt mir nicht nur, sondern ich bin mir dessen auch bewusst.
Die Hand wird es müde, an meinen Genitalien herumzuspielen, und macht sich daran, mich auf die Seite zu drehen, bis mein nackter Hintern dem Vergewaltiger zugekehrt ist.
Was für eine Hitze liegt in Tränen der Frustration! Wie kann ich das mit mir geschehen lassen? Wie kann jemand einem anderen aus Egoismus so etwas Niederträchtiges antun? Mein Gehirn hinkt immer noch Minuten hinter den Ereignissen her, doch mein Herz scheint langsam zu registrieren, was hier passiert. Es pocht und zuckt in meiner Brust, als wollte es mich durch den pulsenden Tumult in meinem Körper aus dem Schlaf reißen. Irgendetwas tut
sich an meinem Hintern. Ich glaube, meine Arme fuchteln jetzt herum, wollen sich bewegen, sich wehren, aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Doch ob imaginär oder nicht, ich klammere mich an das Gefühl und versuche, es zu stärken.
Etwas dringt in mich ein. Ein Finger in meinen After. Zu dünn und knochig für einen Penis. In der Theorie nicht schlimmer als das sachliche Erkunden eines Arztes, doch das hier ist nicht sachlich, es dient nicht meinem Besten, sondern nur dem Vergnügen des Missbrauchers.
Dreckschwein. Wie kann er es wagen! Eine riesige Welle der Wut und des Ekels schießt in meinen Arm, und ich schlage nach ihm aus. Dann quetsche ich Lunge und Bauch zusammen, um einen Laut durch die Kehle zu pressen und einen Schrei zu erbrechen, der sich rasch in Husten und einen furchtbaren, die Brust abschnürenden Schmerz verwandelt.
Grob
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