Welten - Roman
an?«
»Bluejeans, weißes Hemd, Lederjacke, so eine Art Orangebeige.«
»Dann weiß ich Bescheid.«
»Okay. Bis gleich.«
MADAME D’ORTOLAN
Es war ein leiernder Singsang. »Hier-hier, hiah-hiah!«
Im Hauptarbeitszimmer des Palazzo Chirezzia lümmelte Bisquitine ziemlich undamenhaft auf einem großen Sofa, dessen weißer Schonbezug erst vor kurzem entfernt worden war. Sie bohrte in der Nase und begutachtete schielend den beteiligten Finger. Neben ihr saß auf der einen Seite Mrs. Siankung, auf der anderen einer ihrer Betreuer. Zwischen ihnen und Madame d’Ortolan, die einige Meter weiter auf einem kunstvoll verzierten Stuhl Platz genommen
hatte, stand ein bedeckter Beistelltisch auf einem Perserteppich. Die anderen Begleiter hatten sich hinter der Couch postiert.
»Nun, meine Liebe«, sagte Madame d’Ortolan leise, »du musst dir ganz sicher sein. Er ist noch hier, hier in Venedig? Kein Zweifel?«
Bisquitine saugte an ihren Lippen und blickte bedeutungsvoll zur bemalten Zimmerdecke. »Das sind meine Anwälte Gumsip und Slurridge. Sie schicken Ihnen die Rechnung und vereinbaren das Liegegeld.« Strahlend zeigte sie ihre weißen Zähne, zwischen denen Tangreste klebten. Nach dem Wechsel hatte sie sich im Körper einer elegant gekleideten jungen Frau mit Aktentasche wiedergefunden. Diese hatte auf einem Steg auf ein Vaporetto gewartet, als ihr Bewusstsein von dem Bisquitines verdrängt wurde, die sich sofort mit großem Appetit über die am Anleger wachsenden Algen hermachte.
Madame d’Ortolan warf Mrs. Siankung einen Blick zu, die ihren Schützling mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtete. Bisquitine war bereits völlig derangiert: zerzaustes Haar, die lästige Kostümjacke abgelegt, die Bluse halb aus der Hose, die unteren Knöpfe offen, Laufmaschen in den Strümpfen, Schuhe abgestreift. Sie legte den Kopf zurück und streckte das Kinn vor, als ihre Stimme fast männlich tief wurde: »Blinkenscoop, du blöder alter Kerl, wie nennst du das? Ein schönes Trara, trara, trara, trara, trarambam. Ich seh nix, wenn du im Weg bist. Hau ab, du Teeigel!«
»Sie braucht wohl einen Hemmer, um ganz sicher zu sein«, verkündete Mrs. Siankung.
Madame d’Ortolan und Mr. Kleist tauschten Blicke. Ihr Erscheinungsbild war uncharakteristisch. Er war zu jung, drahtig und blond, sie zu dick und schlampig mit schlecht
gefärbtem grauen Haar und einem schrillen, orangefarbenen Hosenanzug. Auch Mrs. Siankungs Aussehen stimmte nicht. Sie steckte in einer massigen, kräftig gebauten Frau in einem voluminösen Kleid, die zum Gehen einen Aluminiumstock mit drei Spitzen benötigte. Sie hatten keine Zeit gehabt, um passendere Körpertypen zu finden, vor allem da sie zusammen mit Bisquitine und ihren Betreuern wechseln mussten.
Madame d’Ortolan zog die Augenbrauen hoch. »Einen Hemmer?«
»Ich glaube, Sie meinen einen Späher«, bemerkte Mr. Kleist.
»Nein, einen Hemmer.« Mrs. Siankung strich ihrem Schützling eine widerspenstige Locke aus der Stirn. »Und es muss einer von denen sein, die bei der ersten Interventionseinheit waren.«
Nach einem kurzen Blick zu Mr. Kleist nickte Madame d’Ortolan. Er verließ das Zimmer. Bisquitine wischte Mrs. Siankungs Hand weg und zupfte dann an ihrem zum größten Teil noch hochgebundenen, langen braunen Haar. Schließlich hatte sie eine dicke Strähne herausgelöst, die sie sich in den Mund steckte, um zufrieden darauf herumzukauen. Mit einem Ausdruck tiefer Konzentration betrachtete sie ein fernes Gemälde.
»Was passiert mit dem Hemmer?«, fragte Madame d’Ortolan.
Mrs. Siankung schaute sie an. »Das wissen Sie doch genau.«
Kurz darauf kam Mr. Kleist mit einem der beiden Hemmer zurück.
Nach seinem Bad im Kanal neben dem Landesteg des Palasts hatte sich der junge Mann abgetrocknet. Das dunkle
Haar klebte ihm glatt am Kopf, er trug einen Bademantel und rauchte eine Zigarette.
»Machen Sie sie aus«, forderte Mrs. Siankung ihn auf.
»Ich arbeite aber besser damit.« Sein Blick huschte kurz zu Madame d’Ortolan, die völlig ausdruckslos blieb.
Seufzend nahm er einen letzten Zug und drückte die Zigarette in einem Aschenbecher auf dem breiten Schreibtisch aus. Stirnrunzelnd fixierte er Bisquitine. Sie schien gleichfalls von ihm fasziniert und starrte ihn mit großen Augen an, während sie weiter geräuschvoll an dem Haarbüschel nagte.
Ein schmächtiger, kahler Mann eilte herein und küsste Madame d’Ortolan die Hand. »Madame, ich stehe zu Ihren Diensten.«
»Professore
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