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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Loscelles.« Sie tätschelte ihm die Hand. »Freut mich sehr. Tut mir wirklich leid, dass in Ihrem schönen Haus alles auf den Kopf gestellt wurde.«
    »Das macht doch nichts«, murmelte er.
    »Wollen Sie uns Gesellschaft leisten?«
    »Gewiss.«
    Der Professore stellte sich hinter Madame d’Ortolans Stuhl.
    Der Tisch wurde weggerückt, und der junge Hemmer nahm auf einem Stuhl unmittelbar vor Bisquitine Platz, so dass ihre Knie sich fast berührten. Sichtlich nervös zog er den Mantel enger um sich und räusperte sich.
    »Sie wird Ihre Handgelenke nehmen«, erklärte ihm Mrs. Siankung.
    Er räusperte sich erneut. Bisquitine sah erwartungsvoll zu Mrs. Siankung, die ihr zunickte. Das Mädchen gab einen Laut wie »Gruhh!« von sich und beugte sich rasch vor, um die Handgelenke des jungen Mannes zu umschließen, so
gut es mit ihren kleinen Händen ging. Gleichzeitig stieß sie ihm den Kopf gegen die Brust.
    Die Reaktion kam sofort. Mit gekrümmtem Rücken kippte der Hemmer nach vorn und erbrach sich, als hätte er es geplant, ausgiebig über Bisquitines Kopf und Haar, dann sackte er bebend wie von einem Anfall zurück und rutschte mit gespreizten Beinen vom Sitz, während er gleichzeitig die Kontrolle über Blase und Darm verlor.
    »Verdammte Scheiße!« Madame d’Ortolan sprang so plötzlich auf, dass sie ihren Stuhl umstieß.
    Professore Loscelles drückte sich ein Taschentuch vor Mund und Nase und wandte sich mit eingezogenem Kopf ab.
    Mr. Kleist blieb völlig reglos und warf nur kurz Madame d’Ortolan einen besorgten Blick zu. Dann trat er zu ihr und richtete behutsam ihren Stuhl auf.
    Mrs. Siankung brachte ihre Füße in Sicherheit.
    Bisquitine schien nichts von all dem bemerkt zu haben und schmiegte sich fest an den krampfhaft zuckenden jungen Mann, der sich aus sämtlichen Öffnungen entleerte.
    »Wer war wieder unartig?« Bisquitines Stimme drang gedämpft durch die Körpergeräusche des Hemmers, als die beiden eng umschlungen zu Boden sanken. Ein starker, erdiger Geruch erfüllte den Raum. »Wer war wieder unartig? Wo ist es? Wo ist es also? Sag es mir. Ferrovia, Ferrovia, al San Marco, Fondamenta Venier, ja! Giacobbe, bist du das? Nein, ich bin es nicht. Ponte Guglie; alora, Rio Terà de la Madalena. Strada Nova, al San Marco; il Quadri. Due espressi, per favore, signori. Bozman, wer sagt, dass du mitkommen kannst? Geh weg, fort mit dir in deinen eigenen Laden, falls du einen hast! … Ouh, puhhh.« Zum ersten Mal schien Bisquitine die Jauche zu bemerken, in der sie lag. Sie ließ
den Hemmer los, der leblos und mit seinen eigenen Exkrementen beschmiert zur Seite sackte. Seine weit aufgerissenen, fast hervorquellenden Augen starrten hinauf zu der biblischen Szene an der Decke. Mit freundlichem Lächeln stand Bisquitine auf. Sie steckte sich wieder eine Haarsträhne in den Mund, verzog aber dann das Gesicht und spuckte sie aus. Nachdem sie noch öfter gespuckt hatte, streckte sie wie ein Kind mit gespreizten Fingern die Arme nach Mrs. Siankung aus. »Will baden!«
    Madame d’Ortolan schaute Professore Loscelles. Er nickte. »Anscheinend ist die Person vom Bahnhof Santa Lucia unterwegs zur Piazza San Marco. So klingt es zumindest nach den erwähnten Namen. Oder sie sind schon dort, im Quadri. Ein Café und wirklich hervorragendes Restaurant. Sehr guter Kuchen.«
    Madame d’Ortolan wandte sich ihrem Begleiter zu. »Mr. Kleist?«
    »Ich kümmere mich darum.« Er verließ das Zimmer.
    Bisquitine stampfte mit dem Fuß in die Brühe. »Will baden! «
    Mrs. Siankung wartete auf Madame d’Ortolans Anweisungen, die Bisquitine einen angewiderten Blick zuwarf. »Dusche. Aber beeilen Sie sich.Vielleicht brauchen wir sie schon bald wieder.«

DER WELTENWECHSLER
    Ich bahne mir einen Weg durch das dichte Gewühl von Touristen auf der Hauptstrecke zur Rialtobrücke und dahinter zur Academia und Piazza San Marco. Ich arbeite
mich so schnell voran, wie ich kann, ohne Leute zur Seite zu stoßen oder kleine Kinder niederzutrampeln. »Scusi. Scusi, scusi, Signora, entschuldigen Sie, Pardon, scusi, darf ich mal durch. Scusi, scusi …«
    Gleichzeitig versuche ich, genau darüber zu wachen, was auf der anderen Seite des Canal Grande los ist. Was für ein Gebräu widersprüchlicher Talente und Fähigkeiten, das sich dort um den Palazzo Chirezzia ballt! Es gibt Hemmer, Spürer, Späher, Vorausseher und Adepten mit Kräften, von denen ich kaum eine Ahnung habe, und viele von ihnen sind erst vor kurzem eingetroffen. Ja, jetzt kann

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