Welten - Roman
Vollholz, wie Kunstpelz statt richtigem Fell, wie Handbetrieb statt ordentlichem Sex. Es ist ganz
okay, solange man sich das Echte nicht leisten kann. Ecstasy ist ziemlich gut, aber wirkt nicht so unmittelbar. Man muss sich darauf einlassen. Allerdings nicht so stark wie beim altmodischen Acid. Typen, die so betagt sind, dass sie mein Dad sein könnten, haben mir von diesen Trips erzählt, die achtzehn Stunden oder länger gedauert und einfach deine ganze Welt von innen nach außen gekrempelt haben - nicht immer auf eine angenehme Weise. Und man musste alles organisieren, also zum Beispiel, wo und mit wem man bei seinem Trip zusammen sein wollte. Praktisch Hilfspersonal. Fast schon wie Pfleger! Meine Scheiße, wie haben die Hippies das alles bloß geregelt gekriegt?
Jedenfalls, im Vergleich zu diesem zeitraubenden Quatsch ist E gar nicht so schlecht, ungefähr wie eine Sektschorle statt einem Whisky Soda oder so, aber trotzdem muss man alles organisieren, damit man rechtzeitig aufkreuzt, außerdem geht es hauptsächlich ums Tanzen und um das Kuschelgefühl unter vielen Gleichgesinnten und Boppern. Super in diesem unendlich langen Moment gemeinsamer Euphorie, aber eigentlich doch eher so was wie ein Ritual. Wie ging gleich wieder dieser Song? »This is my Church.« Oder so ähnlich. Wie ein Gottesdienst. Für meinen Geschmack ein bisschen zu kollektiv, zu gesellig das Ganze.
Cannabis war in gewisser Weise ähnlich, weil es einen sanft machte. Allerdings war mir immer ein Rätsel, wie das mit diesen durchgeknallten Haschischin zusammengeht. Aber dieses ewige Herumliegen in dicken Rauchschwaden wie bei den alten Hippies und dieses blöde Rumgelaber habe ich nie vertragen. Und dann dieser schmierige braune Teer, der einem das Zigarettenpapier und das Gehirn verklebt, bis man nur noch würgt und stammelt und
so durch den Wind ist, dass man es für eine prima Idee hält, das Bongwasser zu schlürfen für den letzten Kick, der einen hinüberreißt in ein anderes Reich der Erkenntnis. Was für ein totaler Schwachsinn. Klar, in den Sechzigern war es eine super Droge, als alle mit Love-ins und Blümchenbildern auf dem Hintern das System stürzen wollten, aber mir ist das alles irgendwie zu nebelhaft und vage und ziellos, du verstehst schon.
H ist wirklich Hardcore, das muss man respektieren. Für die meisten Leute eine echte Lebensaufgabe. Außerdem wie die Entdeckung der Urform reiner Lust, von der alle anderen Drogen abstammen, auch die legalen wie Alkohol, als hätte man etwas völlig Unverfälschtes gefunden, nach dem nichts Besseres mehr kommen kann. Aber es ist eine egoistische Droge. Sie übernimmt dich, sie wird zum Boss, alles dreht sich nur noch um den nächsten Schuss, sie zerrt dich weg von der Realität und redet dir ein, dass die Realität dort ist, wo H ist, und dass die Realität, in der du die ganze Zeit gelebt hast und wo all die anderen armen Idioten noch immer hausen, wo dummerweise, ärgerlicherweise außerdem das Geld ist, nur eine Art Spiel ist, ein grauer, unscharfer Schattenort, an den du viel zu oft zurückkehren musst für diese unvermeidlichen, roboter haften Verrenkungen, um wieder in den tittenprallen Technicolorglanz der fabelhaften H-Welt zurückzukehren. Keine Übertreibung, H ist eine echte Aufgabe fürs Leben, das man dabei auch noch verlieren kann, wenn man Pech hat. Irgendwie als würde man zur Fremdenlegion gehen oder so ähnlich.
Und noch dazu, wie das schmuddelige Zeug in uralten Löffeln aufgelöst wird, das Stochern nach einer Vene, das Abbinden und Festzurren mit den Zähnen, und dass man das eigene Blut herausziehen und in der Spritze mit dem
Stoff vermischen muss. Widerlich. So was muss ich nicht haben. Keine saubere Sache wie Koks. Das genaue Gegenteil. Außerdem braucht man einen Eimer in der Nähe, denn wenn der Hit kommt, muss man erst mal kotzen! Vielleicht bin ich da altmodisch, aber ich dachte immer, bei Drogen geht’s um Spaß! Und was für eine beknackte Art von Spaß soll das sein?
Wie gesagt, ich habe Respekt vor Leuten, die bereit sind, solche Erniedrigungen auf sich zu nehmen, um in diesen warmen Fluss der Glückseligkeit einzutauchen, aber scheiß drauf, mit so einer Droge macht man sein Leben nicht besser, und darum geht es mir schließlich. Es ist eine Droge, die einen aus dem Leben raus- und einfach in ein ganz anderes reinschleudert, wo es zwar furchtbar toll ist, wo man aber nur mit der Droge hinkommt und bleiben kann. Für mich ist das wie ein
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