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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Hausaufgaben erledigte ich immer mustergültig. Häufig besuchte ich die Schulbücherei und die Bibliothek in der Nachbarstadt, allerdings nicht immer zum Lesen. Im Bus, der mich in die Stadt und wieder zurückbrachte, starrte ich immer nur ins Leere.
    Wahrscheinlich wären wir zu dritt schon irgendwie klargekommen, aber dann erschien meine Schwester auf der Bildfläche. Natürlich mache ich ihr keinen Vorwurf, zumindest jetzt nicht mehr, aber damals fiel mir das wirklich schwer. Ich wusste es eben nicht besser. Es war nicht ihre Schuld, auch wenn sie die Ursache war.
    Wir lebten auf dem Land in einer Reihe von Häusern für Strafvollzugsbeamte, in Sichtweite des Gefängnisses. Jahrelang konnte mir nicht entgehen, wie sich Mum und Dad stritten, weil die Wände des Hauses dünn waren. Allerdings war Mum gar nicht zu hören, nur Dad. Sie hielt ihre Stimme
immer gesenkt oder flüsterte sogar, während er entweder brüllte oder einfach normal in seiner lauten Tonlage redete. Ich glaube, er hat in seinem ganzen Leben nie geflüstert. Wenn ich sie so hörte, klang es, als würde er mit sich selbst streiten oder mit jemandem, der nicht da war. Dann drückte ich mir immer das Kissen über den Kopf, und wenn es wirklich laut wurde, steckte ich mir die Finger in die Ohren und summte vor mich hin, um alles zu übertönen.
    Einmal muss ich wirklich laut gesummt haben, denn plötzlich ging das Licht an, ich öffnete die Augen, und Dad, nur in Unterhosen, stand über mich gebeugt an meinem Bett und fragte mich, was das sollte und warum ich so einen Lärm veranstaltete. Wütend starrte er mich an, während ich in das grelle Deckenlicht blinzelte und mir Augen und Wangen abwischte. Eigentlich rechnete ich fest damit, dass er mich schlagen würde, aber er knurrte nur irgendwas vor sich hin und schlug knallend die Tür zu. Das Licht ließ er an, und ich musste es selbst ausschalten.
    In den vorangegangenen Jahren hatte ich bereits einiges aufgeschnappt, was ich lieber nicht erfahren hätte, Dinge wie Sex und so weiter, aber erst der Abend, als meine Mutter ungefähr eine Woche nach der Geburt meiner Schwester aus dem Krankenhaus heimkehrte, brachte die entscheidende Veränderung für mich. Schon mit meiner Geburt hatte Mum große Schwierigkeiten gehabt, und eigentlich hätte sie keine Kinder mehr zur Welt bringen dürfen. Doch dann wurde sie wieder schwanger, und damit war alles klar. Dad hätte nichts gegen eine Abtreibung gehabt, aber für Mum kam das wegen ihrer Religion nicht in Frage, also musste sie die Sache durchstehen. Es war eine ziemlich unangenehme Geschichte, und sie musste dort unten mit vielen Stichen genäht werden. Dad war wahrscheinlich
betrunken - noch stärker als sonst, wenn er sein übliches Quantum getankt hatte.
    Erst versuchte ich zu summen, aber ich wusste, dass sie über Sex redeten an dem Abend nach ihrer Heimkehr aus dem Krankenhaus. Und weil ich in einem Alter war, in dem man anfängt, sich für solche Dinge zu interessieren, entschied ich mich doch fürs Zuhören. So belauschte ich, wie meine Mutter Dad bat, ihn in den Mund nehmen oder sich ihm sogar anal hingeben zu dürfen, weil sie wegen der Stiche und ihrer Wundheit keinen normalen Sex haben konnte. Ich glaubte zu wissen, dass mein Vater diese Dienste in der Vergangenheit von ihr verlangt hatte, aber zu beidem war es wohl nie gekommen. Doch an diesem Abend wollte er sich mit solchen Ablenkungsmanövern nicht abspeisen lassen, vor allem da er schon monatelang gedarbt hatte.
    Ohne lange Umschweife, er machte sich gegen ihren Willen über sie her, und ich musste das Ächzen, das Schlucken und dann das Schreien mit anhören. Viele Schreie, obwohl ich irgendwie erkennen konnte, dass sie sich trotz allem bemühte, leise zu sein. Ich rammte mir die Finger so fest in die Ohren, dass es mir fast das Trommelfell zerriss, und ich summte, so laut ich konnte, aber noch immer drang das Kreischen zu mir durch.
    Es dauerte viel länger, als man sich vorstellen würde. Vielleicht lag es am Alkohol oder an den Schreien. Doch irgendwann verebbten sie, und an ihre Stelle trat Schluchzen und kurz darauf Schnarchen.
    Natürlich hatte ich mir ausgemalt, hinüberzustürzen, ihn von ihr wegzuzerren und zusammenzuschlagen und so weiter, aber ich war erst elf und so schmächtig wie sie, nicht groß und stämmig wie er. Daher konnte ich nichts tun.
    Inzwischen war meine Schwester von dem ganzen Spektakel
aufgewacht, und sie plärrte, wie es ganz kleine Babys eben tun, und

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