Welten - Roman
nickte feierlich.
Sie schien leicht zu stocken. War sie aus der Gegend? »Die Republik hat solche Bedrohungen äußerst ernst genommen.«
Lächelnd deutete ich eine Verneigung an und tippte mir an die Stirn. »Sie sind wohl eine Autorität, Madame.«
»Keineswegs. Bloß nicht völlig unwissend.«
»Danke, dass Sie mich von einem Teil meines Unwissens befreit haben.«
»Gern geschehen.«
Ich nickte in Richtung des Gedränges in der Saalmitte. »Möchten Sie tanzen?«
Sie legte den Kopf ein wenig zurück, wie um mich zu taxieren, und verbeugte sich etwas länger, als ich es getan hatte. »Warum nicht?«
Und so tanzten wir. Sie bewegte sich mit geschmeidiger
Anmut. Ich schwitzte in meinen Gewändern und begriff, wie klug es war, Maskenbälle im Winter zu veranstalten.Wir unterhielten uns zur Musik und im Rhythmus des Tanzes.
»Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«
»Sie dürfen.« Sie verstummte mit einem leisen Lächeln.
»Verstehe. Nun, und wie ist Ihr Name?«
Die grellbunten Federn zuckten hin und her. »Es ist nicht immer angemessen, bei einem Maskenball nach Namen zu fragen.«
»Nein?«
»Ich fühle, dass der Geist des verstorbenen Dogen auf uns herabblickt und uns zur Zurückhaltung auffordert. Sie nicht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht einmal, wenn ich wüsste, wovon Sie reden.«
Das schien sie zu amüsieren, denn sie öffnete die weichen Lippen zu einem Lächeln. »Alora.«
Kurz dachte ich, sie hätte ihren Namen genannt, aber es war einfach das venezianische Wort, das so etwas wie »na also« bedeutet. Ihren Akzent konnte ich nicht einordnen.
»Vielleicht stellen wir die Namen fürs Erste zurück«, bemerkte sie, während wir eine Kreisfigur beschrieben. »Ansonsten können Sie alles fragen.«
»Nach Ihnen, ich bestehe darauf.«
»Na schön, was machen Sie, Sir?«
»Ich bin Reisender. Und Sie?«
»Ebenfalls.«
»Tatsächlich. Kommen Sie viel herum?«
»Ja, sehr. Und Sie?«
»Ziemlich.«
»Dienen Ihre Reisen einem Zweck?«
»Einer ganzen Reihe von Zwecken. Und bei Ihnen?«
»Immer nur einem.«
»Und das wäre?«
»Das müssen Sie erraten.«
»Muss ich?«
»Unbedingt.«
»Na dann. Ihrem Vergnügen?«
»So seicht«, hauchte sie, »bin ich nicht.«
»Ist es seicht, seinem Vergnügen nachzugehen?«
»Wenn man es ausschließlich tut, ja.«
»Ich kenne Menschen, die anderer Meinung sind.«
»Ich auch. Darf ich fragen, warum Sie lächeln?«
»Wegen der Verachtung in Ihrer Stimme, wenn Sie diese Leute erwähnen.«
»Nun, sie sind eben seicht«, erwiderte sie. »Und das ist der Beweis für meine Aussage.«
»Auf jeden Fall ist es der Beweis für etwas.«
»Sie lächeln schon wieder.«
»Ich bin mir dessen bewusst, dass Sie von mir kaum was anderes wahrnehmen als meinen Mund.«
»Meinen Sie, das ist alles, was ich von Ihnen sehen muss?«
»Ich hoffe nicht.«
Sie legte den Kopf ein wenig schräg. »Flirten Sie etwa mit mir?«
»Ich bin mir relativ sicher, dass ich es probiere«, antwortete ich. »Wie schlage ich mich?«
Sie schien zu überlegen, dann bewegte sie ihren Kopf von einer Seite zur anderen wie ein um neunzig Grad gedrehtes Nicken. »Zu früh, um das jetzt schon einzuschätzen.«
Später - die Musik hallte durch Treppenschächte, Gemächer und Gänge - standen wir vor einer großen Weltkarte, die eine ganze Wand einnahm. Sie wirkte einigermaßen
genau und daher aktuell, allerdings war ich in mancher Hinsicht natürlich der Letzte, der das beurteilen konnte. Wir standen nahe zusammen, beide ein wenig außer Atem vom letzten Tanz. Noch immer trugen wir unsere Masken, und noch immer kannte ich ihren Namen nicht.
»Kommt Ihnen das alles gegenwärtig und korrekt vor, Sir?«, fragte sie, während ich die zusammengestellten Kontinente und Städte betrachtete.
»Damit wären wir wieder bei meinem Unwissen«, gestand ich. »Geografie ist nicht unbedingt meine Stärke.«
»Sieht die Karte irgendwie falsch für Sie aus?« Bei den nächsten Worten senkte sie die Stimme. »Oder etwa zu begrenzt?«
»Zu begrenzt?«
»Schließlich ist es nur diese eine Welt«, stellte sie ruhig fest.
Verblüfft musterte ich sie, während sie sich erneut der Landkarte zuwandte. Als ich mich wieder gefasst hatte, gestikulierte ich lachend. »Stimmt, das eine oder andere Sternenzelt könnte nicht schaden.«
Reglos stand sie da und schwieg.
Ich teilte meine Aufmerksamkeit zwischen ihr und der Karte, während mehrere Paare und Gruppen von Leuten plaudernd und scherzend
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