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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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schließlich zum Attentäter auf. Aber ihr das alles zu erzählen, hätte nur rührselig geklungen und sowieso nichts gebracht.
    »Ich glaube«, fuhr sie fort, »Theodora hat meine Neugier auf die theoretische Seite der Forschungen mit grenzenlosem Eifer verwechselt. Sie dachte, ich werde von der gleichen Leidenschaft getrieben wie sie.« Ein leises Lächeln huschte über ihr Gesicht. Wieder ersetzte sie einen Chip, der eingestrichen wurde, durch einen anderen.
    »Nachdem die Leute, die bloß den Urlaub in der Einrichtung verbracht hatten, heimgekehrt waren, erzielten wir zum ersten Mal größere Fortschritte. Nur der harte Kern war geblieben.Wir hatten unsere eigenen Septus-Techniker im Team, die die volle Unterstützung ihrer Dienststellen genossen - Experten für Herstellung,Verwendung und Nebenwirkungen der Droge. Das allein war schon ein Privileg, denn solche Menschen trifft man sonst nicht. Wusstest du, dass Septus mit Spurenelementen versetzt wird, damit Springer leichter überwacht werden können?« Sie bemerkte,
dass ich die Augen aufriss. »Ansonsten wäre die Arbeit der Spürer viel schwieriger. Sie müssten sich allein auf ihren Instinkt verlassen. Doch mit den Spurenelementen ist es, als würde überall dort, wo gerade jemand die Welt gewechselt hat, eine Rauchwolke aufsteigen, die sie zur nächsten Verkörperung des Betreffenden führt.«
    »Im Ernst?«
    »Vollkommen im Ernst.« Ohne den Blick vom Spieltisch zu nehmen, nickte Mrs. Mulverhill bedächtig. »Und auch Madame d’Ortolan hat unsere Tätigkeit mit größtem Ernst verfolgt. Sie war häufig in der Anlage, um unsere Untersuchungen in die richtige Richtung zu lenken oder uns sogar bei der Feinabstimmung eher abstrakter, spekulativer Ansätze zu helfen. Mehrere Abende lang habe ich nichts anderes getan, als mit ihr über Transitionstheorie zu diskutieren. Für eine Psychopathin ist sie äußerst scharfsinnig. Damals wusste ich noch nicht, dass so was möglich ist. Aber sie war … übereifrig. Sie war so versessen auf Ergebnisse, dass sie Risiken einging, Abkürzungen wählte und sich übernahm. Sie sorgte für die erste intensive Begegnung zwischen Weltenwechslern, Spürern und Septus-Chemikern seit Jahrhunderten, und einige von uns haben dabei Dinge erfahren, die wir nie hätten herausfinden dürfen.«
    »Wie das mit den Spurenelementen.«
    »Genau.« Wieder nickte sie. »Sie dachte wohl, dass sich mein Wissensdurst einzig und allein auf das vor mir liegende Problem richtet: Was können Randomisten tatsächlich, ist Weltenwechseln ohne Septus möglich? Wahrscheinlich kam sie gar nicht auf die Idee, dass ich ein generelles Interesse an allen mir unbekannten und ganz besonders an jenen Dingen haben könnte, die absichtlich geheim gehalten wurden.«

    Erneut waren unsere Jetons verschwunden. Manche Leute verließen den Tisch, und andere nahmen ihren Platz ein. Abermals legte Mrs. M einen Chip auf ihr bevorzugtes Feld. Ich platzierte meine gleich daneben. »Die Randomisten haben uns Mühe bereitet. Sozial unbeholfen, neurotisch, gesundheitlich angeschlagen. Besonders kritisch war ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft. Irgendwie lag es nahe, sie zu verachten oder sie zumindest als unwichtig abzutun und ihre Menschlichkeit zu vergessen. Allmählich bekamen wir das Gefühl, dass sie ihre Geheimnisse absichtlich vor uns verbargen, nur um uns zu ärgern. Wir wurden dazu angehalten, uns nicht mit ihnen zu verbrüdern und sie im Namen der Objektivität ausschließlich als Versuchspersonen zu behandeln. Es waren gebrochene, praktisch nutzlose Existenzen; eine Bedrohung für sich und die Gesellschaft. Wir haben ihnen also einen Gefallen getan und sie geradezu geadelt mit dem Versuch, ihre seltsamen, undisziplinierten Kräfte einzudämmen, und ihrem Leben durch die Mitwirkung an einem für die Allgemeinheit nützlichen Programm einen neuen Sinn verliehen.
    So haben wir angefangen, sie zu schikanieren. Das ist uns überhaupt nicht schwergefallen. Schließlich waren sie wie ungehorsame Kinder: störrisch, unbelehrbar, häufig bewusst aufsässig, manchmal sogar aggressiv. Schikanen wie strenge Rationierung von Essen und Wasser, Schlafentzug, Konfrontation mit unlösbaren Rätseln bei gleichzeitiger Beschallung mit schmerzhaft lauten Lärmpegeln erschienen uns nötig für die Disziplinierung - Maßnahmen, die sie praktisch selbst herausgefordert hatten - und zugleich absolut vertretbar, weil sie der Forschung, der Wissenschaft, dem Fortschritt und dem

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