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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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über die riesige Kugel meines geborgten Bauchs beugen, um sie zu hören. »An einem Ort namens Esemier gibt es eine Anlage - die exakten Weltkoordinaten habe ich nie erfahren. Ich wurde immer von einem Tandemisten hingebracht, der die Befugnis dazu hatte. Eine ausgedehnte,
baumbewachsene Insel in einem großen See. An diesem unbekannten Ort hat Madame d’Ortolan Forschungen und Tests zu ihren Theorien durchgeführt, und zwar vor allem mit Springern, deren Talent einen ungewöhnlichen Einschlag zeigte. Sowohl nach offizieller Darstellung als auch den maßgeblichen Gerüchten zufolge, wenn man das so nennen kann, existiert die Anlage nicht mehr und die Forschungen wurden auf mehrere Standorte verteilt. Doch in Esemier begannen die wichtigen Programme. Vielleicht laufen sie dort noch immer. Vielleicht komme ich eines Tages hin und finde es raus.«
    »Hab noch nie davon gehört.«
    »Da würde sie sich bestimmt freuen.«
    »Weiter.«
    »Wie du gesagt hast, ich wurde als vielversprechende zukünftige Größe gehandelt. Solche Leute hat Madame d’Ortolan gern an ihrer Seite, zumindest bestellt sie sie zu sich, um sie zu testen; um sie zu beurteilen, während sie glauben, andere zu beurteilen. Ich wurde zur Teilnahme an einem Forschungsprogramm eingeladen, bei dem es unter anderem um unfreiwillige Transition ging: die theoretische Möglichkeit, dass strukturelle Veränderungen im Gehirn einen Adepten in die Lage versetzen, ohne Septus oder zumindest ohne eine spezifische Aktivierungsdosis in eine andere Welt zu wechseln.«
    »Ich dachte, das ist völlig ausgeschlossen.«
    »Richtig, und wenn du je zu der Befugnisebene aufsteigst, die dir den Zugriff auf die betreffenden Forschungsergebnisse gestattet, wirst du erfahren, dass das im Rahmen genau dieses Programms festgestellt wurde.«
    »Und, wurde es zu Recht festgestellt?«
    »Gewissermaßen ja. Aber das Programm war viel gründlicher
und breiter gefächert. In erster Linie ging es darum herauszufinden, wozu Randomisten wirklich in der Lage sind, um die Mythen und abergläubischen Vorstellungen zu beseitigen, die sich um ihre bizarren Kräfte ranken, und dem gesamten Forschungsgebiet eine solide Grundlage zu geben. Doch septusfreies Weltenwechseln war der absolute Gipfel, das eigentlich unerreichbare Ziel, das wir trotzdem nie aus den Augen verlieren sollten.«
    »Wie seid ihr da konkret vorgegangen?«
    »Mit Folter.« Sie fixierte mich kurz. »Ja, nach einiger Zeit auch mit Folter.« Auf dem Spieltisch wurden unsere gesetzten Chips weggeharkt. Sie schob einen weiteren Jeton auf dasselbe Feld. Ich legte einige in die Nähe. »Das Spektrum der Randomisten reichte von Schwachsinnigen über Unterentwickelte und sozial Gehemmte bis hin zu vereinzelten verhaltensgestörten Genies. Am Anfang war alles ganz harmlos. Wir waren überzeugt, dass wir diesen Außenseitern helfen konnten. Außerdem war es faszinierend und begeisternd, weil wir ja die Frage der Transition ohne Septus im Hinterkopf hatten. Es war eine große Ehre, einen ganzen Urlaub mit Forschungen zuzubringen, die praktisch aussichtslos waren, aber doch die kleine Chance auf einen absoluten Durchbruch eröffneten. Der Beweis für die Gangbarkeit einer solchen Technik hätte uns mit einem Schlag in allen Welten berühmt und unseren Namen unsterblich gemacht. Und obwohl sich herausstellte, dass solche Talente - wie vermutet - nur im Reich der Fantasie existierten, fanden wir doch viele Dinge heraus. Für mich war es die aufregendste Zeit meines Lebens. Als ich im Herbst wieder meine Arbeit an der UPT aufnehmen sollte, habe ich mich freiwillig für einen einjährigen Sonderurlaub gemeldet, um in der Einrichtung bleiben und
weiterforschen zu können. Madame d’Ortolan persönlich hat dafür gesorgt, dass sich die Fakultät nicht querstellte. Für die meisten Menschen war das der Zeitpunkt, zu dem ich verschwunden bin.« Sie schaute mich an. »Tut mir leid, dass ich mich nie richtig von dir verabschiedet habe. Ich dachte, ich seh dich am Anfang des neuen Semesters wieder, und dann … es tut mir leid.« Sie wandte den Blick ab.
    Besser so. Ich hatte nicht die Absicht, ihr zu verraten, wie sehr ich sie in all den Jahren vermisst hatte. Damals hatte ich mich gefühlt, als wäre mir das Herz zermalmt worden. Dass sie mich so jäh im Stich ließ, machte einen anderen Menschen aus mir. Statt meine Karriere an der Universität oder in der Forschung weiterzuverfolgen, nahm ich die Ausbildung zum Transitionär, zum Agenten und

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