Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne

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das Feuerzeug an den Unterkiefer, und es klickte. Ein Zischen. Dann fuhr ihre Hand hinauf zu meinem Hals. Ein leichter Druck, wieder ein Klicken und Zischen, dann ein Gefühl von Kälte an Hals und Kiefer wie von einer Eisinjektion. Sie schlang die Arme fest um meinen Rücken, dann presste sie die Beine an meine und stellte sich ein wenig auf die Zehenspitzen, um ihr Gesicht an meins zu legen. Auch ich umarmte sie. Ein schönes Gefühl. Unten regte sich schon was, ich wurde allmählich hart. Ich fragte mich, ob sie es auch spürte. Wenn nicht, dann konnte es nicht mehr lange dauern. Plötzlich hatte ich die Empfindung, dass mein Kopf von innen nach außen gestülpt wurde.

    Offenbar hatte ich die Augen geschlossen. Ich stolperte und taumelte, als ich sie wieder aufschlug. Um uns herum herrschte graues Licht, und die Luft war auf einmal kühl und frisch. Mrs. M löste ihren Griff, hielt mich aber an einer Hand fest, damit ich nicht stürzte.
    »Schon gut, Adrian, schon gut, schon gut …«
    Aber es war nicht gut, denn es war nicht nur das bernsteinfarben schummrige Zimmer verschwunden, sondern das ganze verdammte Haus .
    Kein Novy Pravda. Im fahlen Licht einer viel zu frühen Morgendämmerung standen wir auf einem niedrigen, von Sümpfen umgebenen Hügel, und ein breiter Fluss schlängelte sich in die Richtung der wolkenverhangenen aufgehenden Sonne. Super. Nicht nur das Zimmer und das Gebäude. Das ganze beschissene Moskau hatte sich in Luft aufgelöst.
    Überall bis zum Horizont verstreute Ruinen.
    Ich hatte das Gefühl, gleich umzukippen, und mehrere Sekunden lang führten wir einen merkwürdigen Tanz auf.
Mrs. M umklammerte meine Hand, um zu verhindern, dass ich auf dem Hintern landete, und ich torkelte ächzend um sie herum, um auf dem rutschigen Gras nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Schließlich bekam ich meine Beine so weit auseinander, dass ich Halt fand, und Mrs. M packte mich an beiden Schultern, während ich mich heftig keuchend vorbeugte. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass ich diese verlassene Landschaft mit grauen Sümpfen und schwarzen Ruinen wirklich sah .
    »Mir geht’s gut. Mir geht’s gut.« Langsam richtete ich mich auf. Sie ließ eine Hand auf meinem Ellbogen. Ich schaute mich um. Weit und breit kein Mensch. Nur auf dem fernen Fluss unter einem hellen Streifen Himmel ein kleiner Fleck. Vielleicht ein Boot. Die Ruinen erstreckten sich in alle Richtungen. Einige ragten schartig am Horizont auf. Türme und Bruchstücke von Kuppeln; zerfressene, eingesunkene Klumpen, die vielleicht einmal Hochhäuser oder Bürogebäude gewesen waren.
    Einige Schritte weiter, auf der zum nächsten Sumpfgebiet abfallenden Seite, lagen mehrere von hohem Gras überwucherte Steine.
    »Setzen wir uns.« Mrs. M führte mich zu einem der kalten harten Felsen.
    Ich brauchte noch eine Weile, bis ich wieder halbwegs normal atmen konnte. »Verdammte Scheiße, wo sind wir hier?«
    »Auf einer anderen Erde, in einem anderen Moskau.« Halb zu mir gewandt setzte sie sich neben mich. Der Schleier verhüllte wieder ihr Gesicht.
    Ich rieb mir den Hals. »War das die Pille oder …?«
    »Das hier.« Sie zeigte mir das feuerzeugartige Gerät. »Die Pille ist nur für den Notfall, wenn etwas schiefgeht. Deshalb
sollten Sie sich das Zimmer einprägen, von dem wir aufgebrochen sind. Damit Sie zurückkommen können. Aber jetzt brauchen Sie das nicht mehr. Wir können zusammen zurück. Der erste Wechsel ist immer am problematischsten. Die Abstimmung war gut.« Sie lächelte und tätschelte mir beruhigend den Arm.
    »Scheiße.« Kopfschüttelnd stand ich wieder auf und blickte mich verzweifelt um. Ich fand einen faustgroßen Stein und schleuderte ihn mit aller Kraft in die Richtung des sich ausbreitenden Morgenlichts. Mit einem kaum hörbaren Plumpsen verschwand er im Gras auf der Hügelseite. Ich drehte mich wieder zu Mrs. M um. »Geben Sie mir noch eine Minute, okay?«
    »Ich bleibe hier.« Mit einem schleierverhangenen Lächeln faltete sie die Hände um das erhobene Knie.
    Ich rannte den Hang hinunter. An manchen Stellen schlitterte ich, an anderen musste ich springen, weil auch hier Haufen von dunkelbraunen Steinen aus dem Gras ragten. Als das Gefälle nachließ, begann der Sumpf, und ich platschte durch morastiges Wasser. Ich pflückte einen graubraunen Schlammklumpen heraus und starrte erst ihn und dann wieder die trostlose Landschaft an, bevor ich das Zeug durch die Finger zurücktropfen ließ.Weit weg stieß ein Vogel