Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
und voller Inbrunst. Erschöpft sankt Tyark schließlich zurück. Als er nach Zaja schaute sah er, dass sie bereits in tiefen Schlaf gefallen war. Er lächelte still und ließ sich dann auch selbst von der Göttin des Schlafes aufnehmen.
***
Den ganzen nächsten Tag stolperten sie meist schweigend durch das dichte Unterholz der Grate. Beide hatten nur schlecht schlafen können und waren im den frühen Morgenstunden von unangenehm kalten Nieselregen überrascht worden. Ihre Kleidung war nun am späten Nachmittag immer noch feucht und klamm, Tyark fürchtete, dass einer von ihnen vielleicht auch noch krank werden würde.
Missmutig stampfte er über das Gewimmel eines großen Ameisenhaufens, als Zaja plötzlich stehenblieb und Tyark mit einem an die Lippen gelegten Finger auf eine Bewegung hindeutete, die vor ihnen im Wald zu sehen war. »Warte! Ich denke, da ist jemand!«
Zajas zusammengekniffene Augen versuchten, das Unterholz zu durchdringen. Leise sagte sie: »Ich habe nicht mehr als einen Schatten gesehen...«
»Was sollen wir tun? Sollen wir rufen?«
Zaja biss sich nervös auf ihre Unterlippe. Tyark blickte unschlüssig nach vorne. Ein kalter Windstoß ließ ihn bis auf die Knochen erschauern.
»Ja, wir müssen es versuchen. Wir müssen aus diesen Wäldern raus. Lange werden wir uns nicht mehr von Beeren und Flechten allein ernähren können. Wir brauchen Hilfe.«
Zaja nickte stumm. Nach einem letzten Blick auf Tyark seufzte sie und rief die Gestalt vor sich laut an. Dann gingen sie beide langsam auf den Schatten zu. Tyark sah keine Regung, die verraten würde, dass die Person vor ihnen auf sie reagiert hätte. Mit konzentriertem Gesicht stapfte Zaja weiter nach vorne und schließlich standen sie auf einer winzigen Lichtung, die ein gewaltiger Baumriese nach seinem Tod hinterlassen hatte. Dann sahen sie die Person deutlich vor sich: Vor ihnen lief ein gebückter, alter Mann. Er trug einen großen Rucksack aus grobem Leder und einen geflochtenen Korb auf dem krummen Rücken. Seine dürre, knochige Hand hielt einen knorrigen Stock fest umklammert. Er schien die ganze Zeit vor sich hinzubrabbeln, doch weder Zaja noch Tyark verstanden auch noch ein Wort davon.
Schnaufend schien der Alte etwas auf dem Boden zu suchen. Dann schien er etwas gefunden zu haben. Das Gemurmel schwoll etwas an und ächzend begann er, mit dem Stock in der dunklen Erde zu graben. Dann hob er einen dunklen Klumpen auf und warf ihn geschickt in den Korb.
»Ach! Er sammelt Warowiknollen – eine willkommene Delikatesse bei den Adligen in diesen Landen! Sie sind nicht leicht zu finden, da sie nur in dunklen, ungestörten Wäldern wachsen – dort wo das Wesen Natur noch besonders stark ist.«
Sie rief den Mann erneut an - dieser zeigte aber keine Regung, sondern begann, mühselig über einen großen Ast am Boden zu klettern und fuhr danach wieder damit fort, im Waldboden zu scharren.
»Warum ignoriert er uns?«
Zaja blickte Tyark unsicher an. Tyark blickte den Alten prüfend an. Etwas war seltsam an ihm – fast, als würde so etwas wie ein vertrauter und doch fremder Geruch in der Luft liegen. Kaum wahrnehmbar und doch...
Der Alte blieb abrupt stehen und drehte sich überrascht um, den Stock fest in der Hand. Wässrige, blaue Augen starrten ihnen entgegen, wirres, weißes Haar stand von dem mit ledriger Haut umspannten Kopf ab. Das Gesicht war zerfurcht, dreckig und von einer großen weißen Narbe entstellt, die quer über das Gesicht lief. Eines der blassen Augen war weißlich verfärbt und Tyark vermutete, dass es einst durch die schwere Verletzung zerstört worden war. Der fast zahnlose Mund stand halb offen, ein Speichfaden hing heraus.
Der Greis sah sie misstrauisch an, sein matter Blick verharrte lange auf Tyark. Instinktiv hob Zaja ihre Hände und zeigte ihre leeren Handflächen, nach einem Moment tat es Tyark ihr gleich. Zaja rief den Mann an: »Bitte – könnt Ihr uns helfen? Wir haben uns verlaufen! Wir müssen so schnell wie möglich aus diesen verdammten Wäldern raus!«
Die blassen Augen musterten Zaja kurz. Dann huschten die Augen auf Tyark. Der Alte kniff die Lieder zusammen und Tyark wurde unruhig. Das Misstrauen im Gesicht des Alten wurde etwas schwächer und langsam humpelte er auf Tyark zu, der zunächst einen Schritt zurückwich.
Doch der Alte streckte ihm seine dürre Hand entgegen und nach kurzem Zögern ergriff Tyark sie. Der Alte lies schon bald wieder los und Tyark sah, wie die Augen, in denen für einen
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